Morgen vor einem Jahr habe ich meinen Project45 bei @Ioniq (danke nochmal!) abgeholt.
Ich schreibe den Bericht dank Corona-Quarantäne aber heute schon, weil das Auto grade steht und bis zum "Jubiläum" nicht mehr bewegt wird.
Das war das erste Mal, dass ich die Katze im Sack gekauft habe (und so viel vorne weg - auch das letzte Mal). Als hochzufriedener IONIQ Classic 28 kWh - Fahrer dachte ich "Hyundai und E, das passt, was soll schiefgehen?". Zusätzlich lösten schon die ersten Teaser des IONIQ 5 bei mir einen "Haben-Wollen"-Reflex aus, der sich mit zunehmender Datenlage verfestigte. Der IONIQ Classic hatte für eine vierköpfige Familie einige Defizite, die ich mit dem IONIQ 5 ausmerzen wollte. Und, es ist einfach so - das Auto sieht eben (sorry für den Ausdruck) scheiße geil aus. Also kam es, wie es kommen musste und ich gehörte im Februar 2021 zu den Reservierern des Project45. Nun wollte Hyundai im Reservierungsprozess aber einen Händler wissen, wo ich das Auto kaufen möchte. Mit dem Händler, bei dem ich den IONIQ Classic über 500 km von zu Hause entfernt erworben hatte, war das Tischtuch schon während der Fahrzeugübergabe zerschnitten und meine lokale Werkstatt hatte sich im Rahmen der Inspektionen auch nicht gerade übermäßig hervorgetan, mich als Neufahrzeugkunden gewinnen zu wollen. Mir reichte "Katze im Sack" bezogen auf das Auto, das wollte ich dann nicht auch noch bei den Preisverhandlungen haben. Also entschied ich mich für eine Bestellung in Landsberg, aufgrund der Reputation und der klaren und transparenten Kommunikation des Angebotspreises. Stand noch die Farbwahl an, für die Hyundai Deutschland nicht mehr als einen Pixelbrei bereitstellte. Eigentlich bin ich ein Freund von kräftigen Farben - bei der gebotenen Auswahl blieb "Arktis weiß" als das "geringste Übel", denn man hatte ja leider keine Chance, irgendwo reale Farben zu sehen. Als Extra orderte ich noch eine abnehmbare Anhängerkupplung und eine Gummiwanne für den Kofferraum und unterschrieb im April 2021 die verbindliche Bestellung. Nun hieß es warten.
Die Wartezeit wurde genutzt, um jeden Informationsfetzen bei YouTube aufzusaugen und zu hoffen, dass man die richtige Katze im Sack gekauft hatte. Das erste Testvideo bei Regen auf der Autobahn mit Richtgeschwindigkeit verpasste dieser Hoffnung einen herben Dämpfer, aber ich war optimistisch, dass das schon alles nicht so schlimm werden würde.
Zurück zur Lieferung. Hyundai hatte versprochen, dass die Project45-Käufer ab Juni 2021 als erste beliefert würden. Meiner rollte am 31.05. in Bremerhaven vom Schiff, kam aber erst um den 20.07. herum in Landsberg an - mit 32 km auf dem Tacho. Wo das Auto so lange war, ist für mich nicht nachvollziehbar. Zwischenzeitlich war ich fast vier Wochen bei Wind und Wetter nur auf dem E-Bike unterwegs, denn ich hatte meinen IONIQ bereits privat verkauft. Der Käufer wird sich bei den mittlerweile aufgerufenen Gebrauchtwagenpreisen ins Fäustchen lachen, welch Schnäppchen er damals gemacht hat. Am 27.07. holte ich mir den Segen der Zulassungsstelle, nachdem die Sachbearbeiterin meine 3D-Kennzeichen penibel geprüft hatte und schwang mich am 29.07. früh morgens mit meinem älteren Sohn (für ihn das erste Mal) in den ICE gen Süden. Es lief alles fahrplanmäßig bei der DB und so konnten wir gegen 14:30 Uhr bereits die Heimreise antreten. 630 km und nur einen Ladestopp später waren wir dann völlig entspannt daheim und mit 18 kWh/100 km war ich halbwegs beruhigt.
Nach zwei Tagen war die Freude über das neue Autos wieder vorbei, denn es war gleich wieder weg - zumindest temporär, denn ich hatte einen Termin für eine professionelle Keramikversiegelung vereinbart. Eine ganze Arbeitswoche war es weg. Gefühlt zwei Tage davon gingen drauf, weil der Profi nicht aus dem Schwärmen über das Auto herauskam und mir von jedem einzelnen Arbeitsgang Fotos schickte und das Auto auch noch als Werbeobjekt für seine Webseite ablichten ließ. Fazit: Easy-to-clean ist hier jetzt Programm - die Heckscheibe bleibt bei Regen aber trotzdem nicht frei.
Wir fuhren dann wenige Tage später an die Ostsee in den Familienurlaub. Hier ärgerte ich mich beim Beladen des Kofferraums über die Hartplastikauskleidung der Radhäuser. In der Preisklasse gehört da meiner Meinung nach der komplette Laderaum "ausgefilzt".
Auf der Hinfahrt gab es Regen auf der Autobahn - hier wurde ich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, dass die Verbrauchswerte aus dem Regen-Video doch nicht ganz von der Hand zu weisen sind. Für mich als jemanden, der den IONIQ Classic im Sommer regelmäßig unter 10 kWh /100km bewegt hatte, waren die Verbräuche des IONIQ 5 schon ein gewisser Kulturschock, auch wenn physikalisch natürlich erklärbar.
Das Auto verrichtete unauffällig seinen Dienst. Im September war ich das erste Mal bei Temperaturen unter 15 Grad am Schnelllader auf der Autobahn und bekam nur rund 150 kW in der Spitze zu sehen. Da hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht, dass das "Coldgate" hier im Forum ein so intensiv diskutiertes Thema würde. Zudem hatte ich den Eindruck, Klappergeräusche von vorne zu hören, wenn der Frontmotor ausgekuppelt ist und dass der Fahrersitz bei Lastwechseln kippelt. Mit den kürzer werdenden Tagen kamen nun auch erste längere Dunkelfahrten dazu, mit der Erkenntnis, dass das Licht nicht mehr als "ok" ist.
Im Oktober ging ich dann mit dem IONIQ 5 das erste Mal zu meiner neuen Werkstatt hier vor Ort, wo ich auch die Winterkompletträder bestellt hatte. Hier wurden mit dem Umstecken der Räder gefragt, warum ich das Auto soweit weg gekauft hätte. Das Klappern aus der Front war bei sinkenden Temperaturen wieder weg, und eine einmalig auftretende Unmöglichkeit des Einlegens von D/R habe ich selbst mit dem 10er Schlüssel behoben. Auch im Oktober gab es noch ein Zubehör-Update - Schutzmatten für die Rückseiten der Sitze, Gummimatten für innen und schwarze Hyundai-Embleme.
Die Werkstatt konnte leider keinen weiteren Nachweis ihrer Fähigkeit antreten, denn nach den ersten anstehenden Steuergeräteupdates im November teilte man mir mit, dass man ab Dezember kein Hyundai-Partner mehr sein könne. Vielleicht auch besser so, denn dass man nach dem Update den Frunk nicht wieder komplett zusammengebaut hatte, habe ich erst drei Tage später gemerkt und es selbst gerichtet.
Ab November produzierte das Solardach dann auch nahezu nichts mehr - von Juli bis November hatte es sagenhafte 11 kWh geschafft. Seit März läuft es wieder, aktuell steht der Zähler nach einem Jahr bei insgesamt 40,288 (Übernommen mit rund 2,500). Hier fühle ich mich bestätigt, dass es rausgeschmissenes Geld gewesen wäre, es als Extra zu bezahlen.
Zu Weihnachten gönnte ich mir ein CarLinkit AI, weil Hyundai leider weiterhin keine Wireless CarPlay/AndroidAuto-Funktionalität bietet.
Im Dezember und Januar waren wir dann auch mal auf Langstrecke zu für uns ungewöhnlicher Jahreszeit. Hier kommen dann hoher Autobahnverbrauch bei Schlechtwetter mit Coldgate beim Laden zusammen - bei 4% SoC nach 100 km Autobahn am HPC mit 45 kW Ladeleistung einzusteigen, tut schon weh, wenn man im Sommer regelmäßig 220 kW sieht. Ob Hyundai hier tatsächlich noch Software nachschiebt? Ich glaube es erst, wenn ich es sehe... zumal beim Laden einzelne Zellen noch zu kalt sind, während andere schon gekühlt werden müssen (Unterschiede bis zu 10 Grad im Akkupack, ausgelesen mit CarScanner Pro).
Zwischendurch immer mal wieder geärgert habe ich mich über die absolut dilettantische Integration der von Hyundai Deutschland zur Markteinführung als Monopol deklarierten MVG-Anhängerkupplung. Entweder macht man bei jedem Fahrzeugstart eine Abschaltorgie im Infotainment, die ihresgleichen sucht - oder man ignoriert es und wird bei jeder Rückwärtsbewegung mit Anhänger zwangsgebremst. Hier darf man auch ruhig mal die Frage stellen, warum die ganzen optionalen Rückfahrassistenzen nicht einfach im Fahrerprofil gespeichert werden können? Es wäre so einfach, könnte man eines der Profile als Anhängerprofil deklarieren. Aber wahrscheinlich haben die koreanischen Softwareentwickler nicht damit gerechnet, dass der lokale Importeur in good old Germany eine Anhängerkupplung mit "Stromdieben" vertreibt...
Auch zwischendurch habe ich regelmäßig selbst die Infotainment-Software aktuell gehalten. Dies geht ja mit USB recht entspannt. Abgesehen von einem Kracher im Herbst, wo ein Update einen zyklischen Ausfall des HDA verursachte, bis eine Woche später die Korrekturversion kam, hab ich keine krassen Schnitzer zu berichten. Dass es immer noch keine Multistop-Routenplanung mit SoC und Höhenprofil gibt - tja. Für mich persönlich kein Show Stopper, aber im Marktumfeld und der Preisklasse mittlerweile eigentlich ein No Go. Auch hier glaube ich an die Gerüchte zur Abhilfe erst, wenn ich die SW bei mir im Auto sehe.
Anfang Juni war ich dann das erste Mal bei meiner nun hoffentlich längerfristigen Werkstatt. Steuergerät Ladeklappe aktualisieren, der klappernde Frontmotor und der kippelnde Sitz wurden beanstandet. Auch hier natürlich wieder die Frage, warum das Auto so weit weg gekauft wurde. Der tagesaktuell erschienene Rückruf der Parkbremse wurde gleich mit erledigt. Sitzgestell bei Hyundai als Garantiefall eingereicht, klappernder Frontmotor nicht nachvollziehbar.
Vor rund zwei Wochen dann der Termin zum Tausch des Sitzgestells - falsches Sitzgestell bestellt. Immerhin konnte der klappernde Frontmotor nun auch gehört werden. Da gibt es aber nochmal eine eingehende Diagnostik im August, wenn dann hoffentlich das richtige Sitzgestell zum Einbau da ist. Leider knarzen nun auch die Polster im Fahrersitz mittlerweile gewaltig...
Mittlerweile habe ich auch meinen Frieden mit dem Verbrauch gefunden, zumindest im Sommer.
12 Monate, 12.132 km IONIQ 5 Project 45 - was bleibt als Fazit?
Hat das Auto gute Eigenschaften?
Ja, jede Menge. Design, Platz, Ausstattung, Fahrkomfort. Großartig!
Hat das Auto Fehler, über die ich mich ärgere?
Ja, definitiv. Warum öffnet die Komfortöffnung der Heckklappe nie, wenn sie soll, und immer, wenn sie nicht soll?
Warum muss ich auf Landstraßen die Übernahme des Tempolimits vom Schild manuell bestätigen?
Warum bremst es nicht schon so runter, dass es am Schild das korrekte Tempo hat?
Bin ich enttäuscht von Hyundai nach den guten Erfahrungen mit dem IONIQ Classic?
Tatsächlich ein bißchen, ja.
Hab ich überlegt, das Auto zu verkaufen?
Ja, auf jeden Fall. Allein schon wegen der aktuellen Preissituation wär man fast doof, wenn man es nicht macht.
Würde ich erneut einen IONIQ 5 kaufen?
Eher nicht.
Gibt es Alternativen für mich zum IONIQ 5?
Ja, schon, aber keine schnell verfügbaren. Und eine davon ist eigentlich dasselbe in anderer Hülle. Auf jeden Fall kaufe ich nie wieder die Katze im Sack!!!
Wie geht's nun weiter?
Erstmal steht eine Langstrecke im Sommerurlaub an, dann werden hoffentlich die Kinderkrankheiten hardwareseitig durch die Werkstatt endlich behoben - und dann schauen wir mal... Es bleibt spannend.
Ich würde mich freuen, wenn auch andere Project45-Fahrer diesen Thread nutzen und ihre Erfahrungen nach einem Jahr posten.