^tom^ hat geschrieben: ↑
Ich würde mich freuen noch mehr von ehemaligen i3 Besitzer zu erfahren (bisher hat sich einer einen id3 zugelegt?).
Hallo Tom,
mit "ehemalig" kann ich nicht dienen, da der i3
auch im Besitz bleiben wird ...
...("entsorgt" wird der alte A4 von 2007 - ein Graus: deutscher "Premium"-Diesel, nach 210Tkm reif für den "Abdecker" ...). Insofern war die Entscheidung für ein "ungesehenes" Auto wieder aus dem VAG-Konzern eine mutige, aber wie ich nach der ersten Woche sagen kann, die richtige:
Wir sind mit dem Fahrzeug gleich in den Urlaub an den Lago Maggiore (ca. 600km) und ich muss sagen, dass das Fahrzeug genau meine Erwartungen als elektrisches Langstreckenfahrzeug erfüllt (dafür wurde bisher noch der A4 verwendet): Der ID.3 fährt sehr unaufgeregt, ist vor allem nicht so Wind-anfällig wie der i3 und die Lenkung ist nicht so "hippelig". die Abstimmung zwischen Ladegeschwindigkeit und Batteriegröße ist für uns genau richtig; man fährt einfach nach zwei Stunden "mal raus", lädt 30 Minuten und fährt wieder zwei Stunden. Das genaue Planen und Austarieren bei längeren Strecken mit einem 20kWh-Fahrzeug (mein i3) entfällt. Sehr entspannt alles!
Der Verbrauch scheint mir ok, wenngleich genauere Messungen folgen müssen. Das Fahrzeug zeigt jetzt für die ersten 683km 16,6kWh/100km, ab "Steckdose" gemessen würde ich sagen 18,2kWh/100km. Die Fahrt zum Lago war auch schon etwas fordernd: 50% regennasse Strasse, Wenn es ging ca. 120km/h, relativ voll gepackt und nur ca. 8°, Klima auf Automatik, 2h Stop&Go am Gotthard. Fazit: Ich würde sagen, das Auto ist kein Sparwunder aber "ok".
Hier in den Bergen macht das Fahrzeug E-Auto-typischen Spaß. Die "Spritzigkeit" eines i3 erreicht er aber nicht. Das wundert auch nicht, bei dem fast 50% höheren Fahrzeuggewicht. Zwar ist auch die Leistung höher, aber man spürt einfach trotzdem irgendwie die höhere Massenträgheit. Aber wie gesagt für mich kein Problem - der Wagen soll Langstrecke fahren und kein Go-Cart für die Stadt sein (für die Nummer 1 beim Ampelstart reicht es ja trotzdem locker).
One-Pedal-Fahren
Wo die Ingenieure von BMW meiner Meinung vor nun bereits sieben (!) Jahren deutlich bessere Arbeit geleistet haben (echt schade, dass sie nicht weiter gemacht haben ...), ist die Feinfühligkeit und Ansteuerbarkeit des Strompedals (das bei VW übrigens in der Anleitung immer noch "Gas"-Pedal heißt ...): Die Präzision mit der man beim i3 1km/h fahren kann, die Rekuperation auf "0" (ohne dass das Fahrzeug dabei beim Anhalten auch nur "nickt"!) war schon immer fantastisch und wird vom ID.3 nicht erreicht. Beim i3 kann man auch im Sport-Modus ohne Probleme so anfahren, dass die Beifahrer kein Nackentrauma bekommen. Das fällt beim ID.3 schwer. Ich hoffe sehr, dass VW hier an der Kennlinie noch etwas machen kann und wird und für die Freunde des echten "One-Pedal"-Fahrens irgendwo noch einen Untermenü-Punkt hinzufügt, in dem man das Fahrzeug in diesem Modus bringen kann. Dazu gehört auch, dass selbst im "B"-Modus das Fahrzeug zu schwach rekuperiert, bei Tritt auf die Bremse dann aber noch "mehr drauf" hat (es liegt also nicht an der elektrischen Bremsleistung als solcher).
Man hat hier im Prinzip das Verhalten eines klassischen "Automatik"-Wagens implementiert/kopiert (mit "Kriech-Mode" etc.). Das ist aus VW-Sicht verständlich, um möglichst viele "konventionelle" Fahrer zum Umstieg zu bewegen; ich weiß noch genau, als ich vor sechs Jahren zum ersten mal in einem i3 saß und das One-Pedal echt ungewohnt war. Könnte mir vorstellen, dass diverse Nutzertests ergeben, dass das auch "abschreckend" sein kann. Für erfahrene E-Auto-Fahrer, die das aber lieben gelernt haben, ist die Performance des ID.3 hier etwas schwach.
Liebe VW-Ingenieure: Schön wäre, wenn man einfach sein Wunschverhalten einstellen könnte!
Präzision der SoC-Anzeige
Neben der Tatsache, dass die %-Anzeige erst mit einigen Clicks im Lademenü zu finden ist (wie beim i3 am Anfang - man könnte ja auch mal etwas auslassen ...) scheint die Präzision nicht sonderlich hoch zu sein. Abends Auto abgestellt mit 64%, morgens nur noch 61%. Mal steigt der SoC nach herunterrollen von 200 Höhenmetern um 3%, beim nächsten mal runterrollen passiert gar nichts. Nach 1 Stunde stehen dann aber 2% mehr. So etwas habe ich beim i3 nie erlebt. Auf der anderen Seite darf man aber auch nicht vergessen, dass die Notwendigkeit einer auf das Prozent genauen SoC-Anzeige mit steigender Akku-Kapazität natürlich abnimmt ...
Bedienung
Schön für i3-Fahrer ist die offensichtlich kopierte Bedienlogik am Lenkrad für die Fahrstellung. Nicht schön ist, dass der Rekuperationsmodus "B" auch dort eingestellt werden muss und nach Losfahren damit immer einen "Click" zu viel benötigt. Schön ist, dass ein eingestellter "Eco"-Modus nach Ausschalten des Fahrzeugs erinnert wird und man dafür nicht mit "Coding" an das Fahrzeug heran muss. Könnte man mit dem "B" ja auch machen ...
Super ist das
auf der Lenksäule sitzende Fahrer-Display, das sich mit dieser zusammen bewegt. Beim i3 ist dieses Fest und man hat je nach Lenksäulenverstellung und Fahrergröße irgendetwas immer vom Lenkrad verdeckt. Das ist hier wirklich besser gelöst.
Der Beifahrer merkte an, dass es schön wäre, wenn man den Zentralbildschirm auch in seine Richtung drehen könnte ...
Die Sensor-Tasten am Lenkrad sind gewöhnungsbedürftig. Das Wischen zum wechseln von Display-Funktionen ist ganz cool, aber die Ansteuerung von +/-1 vs. +/-10 km/h für Tempomat etc. ist mir auch nach 600km noch ein Rätsel. Manchmal geht es, manchmal nicht. Ich bekomme auch kein Gefühl für die hier beschriebenen unterschiedlichen Druckpunkte. Ich übe weiter - evtl. geht es ja doch ... Die Taste zum Ein- und Ausschalten von ACC&Co (und damit auch zum pausieren) liegt für meinen Geschmack zu weit "innen" und damit zu weit vom Daumen weg, als dass man ohne explizit zu schauen, das ganze "blind" de- und wieder aktivieren kann. Aber evtl. auch Übungssache.
Assistenzsysteme
Habe nur den einfachen 1st und daher nur ACC. Dieses gefällt mir sehr gut außer dem bereits hier diskutierten Thema, dass nach Reduktion der eingestellten Geschwindigkeit durch ein erkanntes Geschwindigkeitsschild und anschließender Aufhebung auf eine höhere Geschwindigkeit als die vorher eingestellte, meine vorher eingestellte Geschwindigkeit einfach überschrieben und das Fahrzeug ungewollt beschleunigt wird. Das geht m.E. gar nicht - vor allem bei der in meinem Augen schlechten Einstellbarkeit der Wunschgeschwindigkeit am Lenkrad (s.o.). Ich halte das ebenfalls für einen "Bug".
Mit ACC im Stau zu fahren ist ganz nett, aber warum schaltet sich das System nach wenigen Sekunden im Stand ab, so dass ich doch wieder von "Hand" anfahren muss?
Die "Auto-Hold" Funktion habe ich jetzt deaktiviert und finde das Fahrzeug so beim Rangieren angenehmer. Beim Einparken an Steigungen wird trotzdem zuverlässig das Rollen entgegen der gewünschten Fahrtrichtung verhindert (so wie ich das vom i3 kenne). Beim Anfahren an einer Kreuzung mit sehr leichter Steigung ist das Fahrzeug allerdings einmal kurz rückwärts gerollt, bevor es dann vorwärts losfuhr. Eventuell noch ein "Bug"?
Schnelladen
Komisch fand ich, dass ich bei der ersten Schnellladung (Start-SoC ca. 30%) an einem Ionity 350kw Lader (Mahlberg West) nur mit 60kw geladen wurde (abgelesen am Lader). Die Ladung von 31kWh auf ca. 85% benötigte 38 Minuten. Evtl. lag es doch irgendwie am Lader, beim zweiten Stopp gingen 30kWh in 30 Minuten - schon besser (Maximalleitung konnte ich hier aber nicht ablesen). Kommt mir zu wenig vor. Evtl. "darf" die Batterie bei den ersten Ladevorgängen noch nicht so schnell geladen werden? Oder ein Kommunikationsproblem? Das werde ich weiter beobachten.
Mobile App
Also die zugehörige Mobile-App ist hoffentlich "noch nicht fertig". Das was da derzeit zur Verfügung steht, ist wirklich noch gar nichts. Der Funktionsumfang ist nicht der Rede wert. Das schlimmste aber ist (und ich fürchte, dass das kein "bug" sondern ein "feature" sein soll und damit nicht behoben werden wird), dass die Verbindung vom Fahrzeug nur immer zu genau
einer App auf
einem Endgerät möglich zu sein scheint. Die Anmeldung einer zweiten App oder zweiten Person schmeißt die bisher angemeldete erste Person/App raus.
Liebe VW-Ingenieure: Hier bitte Abhilfe schaffen - wir wollen das Fahrzeug auch mal wechselseitig im Familienkreis benutzen und jeder will App-Zugang aber wir teilen uns nicht das Telefon! Ich verstehe das Thema Datenschutz aber hier gibt es bessere Lösungen (Consent des ersten Nutzers einholen z.B.).
Fazit
Die oben beschriebenen Kleinigkeiten sollen aber nicht den Eindruck verwässern, dass der Wagen grundsätzlich Klasse ist und ich die Entscheidung, "blind" dieses Auto zu kaufen nicht bereue: er fährt sich prima und was das Wichtigste ist: Es existiert zum ersten mal ein bezahlbares E-Fahrzeug aus Deutschland mit einer sinnvollen Langstreckenreichweite und Ladegeschwindigkeit (2 Stunden fahren, 30 Minuten laden und das wohl auch im Winter!). Darauf haben wir gewartet, um auch den zweiten Verbrenner abzustoßen und uns von dieser Technologie endgültig zu verabschieden. Mit diesem Fahrzeug entfallen die oft gehörten Argumente "zu wenig Reichweite", "kalt im Winter" und "zu teuer" und es gibt m.E. auch jenseits von Technik-affinen Personen oder leidenswilligen E-Puristen keinen wirklichen Grund mehr, noch einen Verbrenner zu fahren (außer vllt. das Ziehen schwerer Lasten). Wer noch etwas mehr Platz braucht, muss ggf. noch einen Moment warten aber da kommt ja auch etwas Passendes von VW ...