Sind E-Autos nur Zweitwagen?

[KillerTV]

Ich bin ja seit über zwei Jahren auch Mitglied der E-Autofahrer-Blase und im Laufe der Zeit versinkt man ja bekanntlich immer tiefer in der jener eigenen Informationsblase. Durch ein paar Beobachtungen in diesem Sommer bin ich aber nun in meinem Elektro-Weltbild etwas erschüttert.
1.) Völlig entgegen meinen eigenen Prognosen habe ich auf den Hauptreiserouten zur Hauptreisezeit keine Ladestaus beobachtet - im Gegenteil sogar gähnende Leere an den DC-Ladern an der Autobahn.
2.) Gefühlt habe ich auf den von mir auch sonst häufig befahrenen Autobahnen A4, 5, 7 weniger E-Autos beobachtet als sonst.
3.) Die wenigen AC-Ladepunkte an der Ostsee waren zu meiner Überraschung für mich immer verfügbar (meine Stichprobe auf Rügen, Stralsund, Boltenhagen, Wismar).
4.) In Schweden, dem Land mit der zweithöchsten E-Autoquote in Europa, habe ich auf Langstrecke fast nur Verbrenner und PHEVs (Volvo und Passat GTE) gesehen. Ganz vereinzelt mal ein Model 3.

Nach diesen Beobachtungen komme ich zu dem Schluss, dass E-Autos auch 2022 noch weit überwiegend als Zweitwagen genutzt werden. Das heißt, echte Langstrecke (typischerweise der Sommerurlaub) wird mit einem anderen Verkehrsmittel (Bahn, Flugzeug, Verbrenner, PHEV) absolviert.
Nach ein wenig Diskussion in der Nachbarschaft und im Bekanntenkreis verfestigt sich dieses Bild (leider). Meine diesbezügliche Stichprobe ergab ausschließliche zweitwagentypische Verwendungen (also nicht für DIE große Fahrt im Jahr). Selbst bei Autos, bei denen ich das nie gedacht hätte. Hier die Zweitwagen meiner Stichproben: Fiat 500e, VW ID.3, BMW i3, Audi Q4etron, Tesla Model 3, Porsche Taycan, Smart Ed, Renault Zoe. Nur eine einzige Person aus meinem Umfeld verwendet seinen Skoda Enyaq als Alleinfahrzeug auch für echte Langstrecke (>400km).

Für mich persönlich heißt das zum Einen, dass ich die Situation bislang völlig falsch wahrgenommen habe und zum Anderen, dass womöglich der AC-Ausbau doch noch viel wichtiger ist, als der DC-Ausbau. Und noch was: vermutlich werden die PHEVs doch nicht so schnell verschwinden, wie das hier immer prognostiziert wird (Schweden hat mich da echt geflashed).

Bin gespannt, eure Meinungen zu lesen.

[schnaeutz]

Die Beobachtung ist vollkommen richtig. Wenn man Autobahn fährt, sieht man deutlich weniger Elektrofahrzeuge als in der Stadt. Zu "Stadt" zähle ich übrignes auch den Berufsverkehr, selbst wenn er auf der Autobahn stattfindet. Und wenn man außerhalb dieser Zeiten einmal ein E-Kennzeichen sieht, ist es im Zweifel ein Hybrid. Wenn man ein reines E-Auto erblickt, handelt es sich sehr häufig um einen Tesla. Klar, niemand kann überrascht sein, dass Autos die mehr als 100.000 EUR kosten, eher selten sind.

Ich bilde da auch keine Ausnahme. Ich habe einen kleinen E für 95 % aller Fahrten und einen großen Diesel für den Rest. In den kann ich jederzeit einsteigen und ohne Planung 800 km - theoretisch ohne Pause - fahren.

[A.Q.]

Persönliche Beobachtungen sind als Grundlage für solche Einschätzungen selten geeignet.

Es hilft ein Blick in die Zulassungsstatistik, und dort sieht man eine bunte Mischung aus Autos mit eher zweitwagentauglicher Reichweite und solchen, mit denen man bedenkenlos durch ganz Westeuropa fahren kann.

Die Beobachtung ist vollkommen richtig. Wenn man Autobahn fährt, sieht man deutlich weniger Elektrofahrzeuge als in der Stadt.

Und mir geht es genau umgekehrt. Solche Eindrücke sind einfach zu subjektiv und individuell.

[schnaeutz]

Lt. Autozeitung sind im Juli 22 nur 14 % aller Neuzulassungen reine E-Autos. Also sind 86 % Verbrenner und Hybride. Beim Vergleich der Autos muss man erst einmal definieren, was ein elektrisches Lang- und was ein Kurzstreckenfahrzeug ist. Ist etwa der ID3 für Langstrecke geeignet?

[Martyn136]

Denke das kommt auf die Lebenssituationen der Menschen an, des gibt ja auch Leute die generell keine Langstrecke mit dem Auto fahren wollen und da immer auf Bahn, Fernbus, Flugzeug oder ggf. Mietwagen ausweichen. Für die kann natürlich auch ein Elektroauto das einzige Auto sein.

Könnte mir sogar vorstellen das es Haushalte gibt die z.B. zwei oder drei Elektroautos aber kein einzigen Verbrennerfahrzeug haben.

Je nach Lebenssituation und z.B. Bahnanbindung kann das schon sehr gut klappen. Aber für Viele kommt es natürlich nicht in Frage.

[A.Q.]

Ist etwa der ID3 für Langstrecke geeignet?

Mindestens mal mit der großen Batterie zweifellos. Ich würde damit lieber auf Langstrecke gehen als mit den meisten Verbrennern.

[Helfried]

Ist etwa der ID3 für Langstrecke geeignet?

Ohne Einschränkungen ja!
Hohe Reichweite, sparsam im Verbrauch, gute Assistenzsysteme, gutes Fahrwerk etc.

[StefanRyu]

Ist es richtig, Autos, mit dem man in den Urlaub fährt, als Erstwagen zu definieren, wenn Urlaube maximal zweimal im Jahr geschehen? Da wäre ich anderer Meinung. Die meisten km werden sicher im Berufsverkehr gemacht, und dort ist die Tendenz (BEV im Großraum München) definitiv steigend.

[Gausi]

Ich würde die Einordnung Erst- oder Zweitwagen nicht an dem Streckenprofil festmachen wollen sondern an der Nutzungshäufigkeit. Ich sehe den selten benutzten "Langstreckenverbrenner" durchweg als Zweitwagen, während ich mich im Alltäglichen im Winter vorgeheizten und im Sommer vorklimatisiertem elektrischem Erstwagen fortbewege. Da ich Langstrecken aber auch elektrisch zurücklege, kommt in Pausen an AC43/22 mein E-Scooter zu tragen den ich während den einzelnen Etappen über ein DC-DC Step up Wandler im Auto wieder auflade. Vieles kommt zusammen: günstiges AC-Laden und gut genutzte Ladepausen, die mir auch mal einen Einblick der ( meistens ) schönen Dörfer mit typischerweise AC22 Auflademöglichkeiten bietet.

[env20040]

Was ist die Hauptnutzung eines Fahrzeuges?
Steht es meist herum, um 2 x im Jahr ne Urlaubsfahrt zu machen ist dieses Fahrzeug wohl der Zweitwagen.

Kann es vielleicht auch sein, dass die Reichweiten derart gut sind, dass der Großteil der BEV an, wiederum dem grossteil der Ladepunkte, vorbeifahren (können)?

Jene, welche alle 10 km einen Starklader fordern sind, auch wenn Sie E mobilisten sind, der Klassiker von: immer nur Kurzstrecken und ein paar Mal im Jahr irgendwohin.
Bei nur 200 km Reichweite würde ein BEV an?
19 Ladestationen alle 10 km vorbeifahren können.

Daher ist die Beobachtung schlüssig und auch jene meine, dass es sogenannte Hotspots gibt, alleine da dort die Reichweite zum Laden zwingt wenn man aus einer Großstadt wegfährt wo die Statistische Zulassungszahlen vielleicht gleich, die Häufung jedoch frapant ist.