Kein Recht zur Untersagung des Abstellens von E-Autos in Tiefgarage einer Wohneigentumsanlage

Kein Recht zur Untersagung des Abstellens von E-Autos in Tiefgarage einer Wohneigentumsanlage

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Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der angegriffene Beschluss nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig. Gemäß § 19 Abs. 1 WEG besitzen die Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz Nutzungsregelungen hinsichtlich des Gemeinschafts- und des Sondereigentums zu treffen. Der angegriffene Beschluss ist durch diese Beschlusskompetenz gedeckt. Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass ein solcher Beschluss über eine Nutzungsregelung nichtig ist, wenn sie das Sondernutzungsrecht „aushöhlt“ (s. Hügel/Elzer „WEG“ 3. Aufl. 2021 § 23 Rdnr. 8 Stichwort „Sondernutzungsrecht“), diese Grenze wird jedoch durch den angegriffenen Beschluss nicht überschritten, da dieser nur das Abstellen bestimmter Fahrzeuge untersagt, so dass die zweckbestimmte Nutzung der Sondernutzungsfläche als Pkw-Abstellfläche erhalten bleibt.

Der angegriffene Beschluss verstößt jedoch gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung. Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber jedem einzelnen Wohnungseigentümer ein individuelles Recht auf die Gestattung baulicher Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen, gegeben (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Dieser individuelle Anspruch, der nicht abdingbar ist (s. Hügel/Elzer a.a.O. § 20 Rdnr. 188), würde durch den angegriffenen Beschluss ins Leere laufen. Der einzelne Wohnungseigentümer könnte zwar die Installation einer Lademöglichkeit erzwingen, könnte sie jedoch anschließend nicht nutzen. Damit verstößt der angegriffene Beschluss gegen ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel der WEG-Reform, da die Schaffung von Ladeinfrastruktur die „Triebfeder“ der WEG-Reform war (so Dötsch/Schultzky/Zschieschack „WEG-Recht 2021“ Kapitel 6 Rdnr. 169) und macht einen individuellen Rechtsanspruch zunichte. Daher verstößt der angegriffene Beschluss gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten die behauptete besondere Brandgefahr von Elektrofahrzeugen als wahr unterstellt.
https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bs ... E220002505
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Re: Kein Recht zur Untersagung des Abstellens von E-Autos in Tiefgarage einer Wohneigentumsanlage

Stromtier230
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Rein mal aus technischer Sicht: Wenn es zu einem E-Autobrand in einer Tiefgarage kommt, dann wäre dies schon ein größeres Problem, als wenn dort ein Benziner brennt?!?

Re: Kein Recht zur Untersagung des Abstellens von E-Autos in Tiefgarage einer Wohneigentumsanlage

electrifylife
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Nicht unbedingt. Die Brandlast ist vergleichbar, diese hängt sowieso nicht vom "Speicher" ab, sondern resultiert v.a. aus den großen Mengen Kunststoff, die heutzutage in Autos verbaut werden. Ein Unterschied ist nur, dass sich Batterien leichter wieder selbst entzünden können, so dass das Auto länger beobachtet werden muss. Deswegen schleppt man es zum Beispiel aus der Tiefgarage oder kühlt es weiterhin ab, die ab und zu angesprochenen Wasserbehälter kommen aber praktisch nicht mehr zum Einsatz. Die Berufsfeuerwehren sehen bisher kein erhöhtes Risiko und sagen, jedenfalls in den größeren Städten, dass sie das nötige Equipment besitzen.
Die Wahrscheinlichkeit für einen Brand ist bisher nach Statistik auch nicht erhöht, wobei man noch untersuchen könnte, ob E-Autos häufiger beim Aufladen / Parken brennen, Verbrenner während der Fahrt. Das wäre für den Gebäudeschutz dann schon relevant.

Generell ist jeder Autobrand in einer Tiefgarage ein GAU und es gab auch genug Verbrennerbrände, bei denen sich die Feuerwehr nicht mehr in die Garage wagen wollte, sondern abbrennen hat lassen.

Edit: Gerade den Link gelesen. Die Begründung dort ist falsch und zeigt die üblichen Vorurteile. Das E-Auto ist nicht schwerer zu löschen und diese Wassercontainer sind kaum noch im Einsatz. Einzige Erschwernis ist die anschließende Überwachung des E-Autos.
Zuletzt geändert von electrifylife am Di 14. Jun 2022, 13:44, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Kein Recht zur Untersagung des Abstellens von E-Autos in Tiefgarage einer Wohneigentumsanlage

AndiH
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Nein, ein E-Auto ist schwieriger bzw. anderst zu löschen, ein *zusätzliches* Risiko in der TG besteht eher nicht. Dort ist ein Brandherd generell gefährlich wegen der schlechten Zugänglichkeit, einer großen Menge an brennbaren Stoffen und der Gefahr für tragende Konstruktionsteile:

https://www.tiefgaragenreinigung.com/bl ... ch-werden/
Seit 02/2016 über 6.000 Liter Diesel NICHT verbrannt
Seit 03/2022 über 1.200 Liter Benzin NICHT verbrannt

Re: Kein Recht zur Untersagung des Abstellens von E-Autos in Tiefgarage einer Wohneigentumsanlage

electrifylife
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"Nein, ein E-Auto ist schwieriger bzw. anderst zu löschen"

Warum ist es schwieriger?. Ich vertraue dann doch lieber Experten, beispielsweise der Berufsfeuerwehr München, die ganz nebenbei auch die entsprechenden Handlungsempfehlungen für die gesamte BRD erstellen. Hier eine ältere Analyse dazu: https://www.agbf.de/downloads-fachaussc ... chermedien

Re: Kein Recht zur Untersagung des Abstellens von E-Autos in Tiefgarage einer Wohneigentumsanlage

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Letztlich wird es irgendwann vor Gericht geklärt werden.

Es fehlt ein Urteil, wie es mit erweitertem Brandschutz zu verfahren ist.
Meiner Meinung nach gilt folgendes:
Sofern der Brandschutz nicht dem neusten Stand der Technik und Vorschriften entspricht, müssen alle dafür zahlen, weil alle in den Genuss kommen.
Weitergehende Maßnahmen müssen begründet sein. Also es muss bewiesen werden, dass durch Elektroautos eine erhöhte Brandgefahr ausgeht und auch wie die Feuerwehr solch einen Brand löschen würde.
Wenn es vor Gericht geht, dann natürlich gutachterlich begleitet.

Re: Kein Recht zur Untersagung des Abstellens von E-Autos in Tiefgarage einer Wohneigentumsanlage

electrifylife
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"Sofern der Brandschutz nicht dem neusten Stand der Technik und Vorschriften entspricht, müssen alle dafür zahlen, weil alle in den Genuss kommen."

Warum? Meistens gilt dann noch Bestandsschutz. Anders argumentieren könnte man wohl nur, wenn das Risiko durch E-Autos steigt, genau das ist aber wohl eher nicht der Fall.

Im allgemeinen Interesse dürfte sein selbst ohne entsprechenden rechtlichen Zwang für bestmöglichen Brandschutz zu sorgen, bei Garagen hat sich da aber zum Glück gar nicht so viel getan. Beispielsweise müssen schon lange viele Bauteile feuerbeständig und eine Sicherheitsschleuse vorhanden sein.

Re: Kein Recht zur Untersagung des Abstellens von E-Autos in Tiefgarage einer Wohneigentumsanlage

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"Warum? Meistens gilt dann noch Bestandsschutz. Anders argumentieren könnte man wohl nur, wenn das Risiko durch E-Autos steigt, genau das ist aber wohl eher nicht der Fall."

Hast ja selber geschrieben "Meistens"
https://www.byak.de/data/pdfs/Recht/Mer ... aeuden.pdf
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