Batterie-Kennwertanalyse mit OBD/Torque (am.Bsp. IONIQ)

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Batterie-Kennwertanalyse mit OBD/Torque (am.Bsp. IONIQ)

KyRo
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Hallo zusammen,

nachdem ich mir auch so einen kleinen OBD Dongle zugelegt hatte und die ersten Daten aufgenommen habe, wurde mir relativ schnell klar, dass man nicht "mal eben" den Akkuzustand damit beurteilen kann. Klar, es gibt solche Dinge auszulesen wie Batterieverschleiß, SoH usw.. Aber was hat man am Ende davon? Das sind eigentlich nur Zahlen, von denen wieder nur der Hersteller weiß, was sie zu bedeuten haben.

Was man aber ganz schön machen kann ist, die Daten für eine Berechnung der elektrischen Eigenschaften des Akkus heranzuziehen. Die Genauigkeit von Einzelablesungen für diesen Zweck wiederum lässt dafür allerdings sehr zu wünschen übrig (um nicht zu sagen, dass das nicht zu gebrauchen ist). Und da trifft es sich, dass es mit OBD / Torque so schön einfach ist, eine ganze Menge Daten aufzunehmen.

Ich habe dazu also mal 4 Fahrten inkl. einer Schnelladung im 0.5s Takt mit aufgezeichnet und insgesamt über 47.000 Datenpunkte generiert und statistisch ausgewertet (viel hilft viel). Es ist sicherlich erst der Anfang der Fahnenstange und deckt nicht jeden Zustand ab. Insbesondere wäre es interessant, die Änderung der Parameter mit der Zeit am besten von möglichst vielen Autos zu ermitteln.. So könnte man dann auch echte, nachvollziehbare Rückschlüsse auf den Akkuzustand ziehen, was z.B. beim Gebrauchtwagenkauf ein wichtiges Kriterium sein könnte.

Betrachtet habe ich für die Batterie das Zusammenspiel aus BMS SoC, Batterietemperatur, Baterriestrom (Laden und Entladen), Mittlere Zellspannung und Zellspannungs-Delta (Max-Min). Aus den ersten 4 lassen sich mit einer Mehrdimensionalen Regression schonmal Einflüsse als Signifikanztest nachweisen und daraus teilweise direkte physikalische Größen ablesen. Im Einzelnen waren die Ergebnisse wie folgt:

SoC vs. Zellspannung
Natürlich signifikant (wäre ja ein Ding). Aber: Der Zusammenhang ist nicht ganz linear - was auch nicht zu erwarten war. (siehe Grafik). Der Restfehler ist aber eher unerheblich für den deutlich interessanteren Punkt...

Batteriestrom vs. Zellspannung
Ebenfalls signifikant. Es gibt eine Abhängigkeit der Zellspannung vom Entladestrom. Das ist auch ganz logisch, weil der Akku einen, wenn auch kleinen, Innenwiderstand besitzt. Das schöne: Die Regression liefert direkt den mittleren Innenwiderstand der Zellen (R = U / I), was natürlich eine ganz maßgebliche Kenngröße für den Akku ist. Bei meinem IONIQ liegt der Innenwiderstand bei erfreulich niedrigen 0.88mOhm, was wirklich erstaunlich wenig ist. In der Grafik sind die Beiträge der anderen Einflussfaktoren über das Regressionsmodell herausgerechnet und der Zusammenhang wird sehr schön deutlich.

Mit dem bekannten Innenwiderstand kann man gleich mal mit ein paar Dingen aufräumen, die öfters unvollständig bemüht werden. Beispielsweise: "Wasserkühlung ist ein absolutes Muss". Das ist nämlich nur die halbe Wahrheit. Mit P = R * I^2 kommen wir an die Verlustleistung (Abwärme) der Batterie unter Last heran. Für den gegebenen Innenwiderstand ergeben sich diese typischen Verlustleistungen:

Fahren mit Vollgas (250A max): 55W / Zelle => 5.3kW Gesamt
Laden mit 50kW (125A): 13.8W / Zelle => 1.3kW Gesamt
Laden mit 70kW (175A): 27W / Zelle => 2.6kW Gesamt

Moral: Die richtige Kühlung, oder auch der Stress, den der Akku bei der Ladung "erlebt" - das ist primär erstmal vom Akku selbst abhängig. Hier wäre ein Vergleich der existierenden Fahrzeuge wirklich mal hoch spannend.

Temperatur vs. Zellspannung
Blind betrachtet findet man in dem Datensatz eine signifikante Abhängigkeit, auf dem zweiten Blick ist diese aber auf Hebeldatensätze durch den Ladevorgang zurück zu führen. Hier fehlen schlichtweg mehr Daten, um eine wirkliche Aussage treffen zu können. Ähnlich verhält es sich mit der Beziehung Temperatur => Innenwiderstand - Der Einfluss scheint jedenfalls, wenn es ihn gibt (und das sollte es der Literatur nach), eher klein ggü. verbliebenen Effekten zu sein...

Batteriestrom vs. Zellspannungsdifferenz
Siehe Grafik. Da habe ich einen Gleitenden Mittelwert über jew. 5 Werte gebildet, da die aufgenommenen Werte sehr diskret sind (0.02V Schritte). Dient eher der Veranschaulichung. Die Zellspannungsdifferenz unter Last (abzüglich der Differenz ohne Last = Balancing-Thema) ist ein Maß für den Innenwiderstandsunterschied zwischen den Zellen, und in gewisser Weise ein Indikator für eine inhomogene Alterung der Batterie. Idealerweise wäre die Kurve komplett flach. Ist sie bei meinem Ioniq nicht - Das kann entweder eine minimale Alterungserscheinung sein, oder aber Schlicht ein Effekt durch Fertigungstoleranzen der Zellen. Hier fehlen entsprechende Vergleichswerte, um da eine vernünftige Aussage zu treffen zu können (Idealerweise von ein paar Ioniqs mit wenigen km - ich hab ja schon 50TKM auf der Uhr).

Restfehler
Da ist man nie ganz gefeit - irgendwas merkwürdiges scheint das BMS jedenfalls nach einem Schnellladevorgang für den SoC zu berechnen, denn es gibt einen durchaus relevanten Restfehler "nach" dem Regressionsmodell durch die Daten nach der Schnellladung.

Sonstiges: BMS Verhalten beim Laden
Als letzten Punkt habe ich mir mal interessehalber den Ladevorgang näher angeschaut. Die Aussage, der Ioniq lädt immer bis 80% und drosselt danach stimmt so nicht. Soweit ich das sehe, regelt das BMS den Strom entsprechend der aktuellen Zellspannung. In der Grafik "Zellspannung vs. Batteriestrom" sieht man ganz gut, dass ein Ladestrom die Zellspannung erhöht. Mir scheint es so, als regelt das BMS die Zellen einfach nur knapp unter die Ladeschlussspannung von 4.1V (auf ca. 4.06V). Daraus ergibt sich letztlich der maximale Ladestrom. Wann diese Spannung erreicht wird, ist aber von unterschiedlichen Faktoren abhängig und daher nicht immer bei exakt 80% Anzeige. Der genutzte Kapazitätsbereich scheint übrigens 1.8%-95% zu sein - was eine Bruttokapazität von 30kWh ergibt (ausgehend von 28kWh Netto wie von Hyundai kommuniziert).

Das wars erstmal - für mich wären Vergleichswerte mit dieser Art der Auswertung v.a. Herstellerübergreifend mal sehr interessant :)
Dateianhänge
StromVsSpannungsDif.png
Auftretende Spannungsdifferenz bei zunehmender Stromstärke
StromVsSpannung.png
Spannungsabfall durch Lade- und Entladestrom
SoCvsZellspannung.png
SoC vs. Zellspannung (Gesamt)
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Re: Batterie-Kennwertanalyse mit OBD/Torque (am.Bsp. IONIQ)

KyRo
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Und hier noch die letzten beiden Grafiken (es gehen nur 3 Anhänge je Post)
Dateianhänge
SoCDisplayVsBMS.png
SoC Display vs. SoC BMS
SoCDisplayVsBMS.png (10.61 KiB) 2456 mal betrachtet
SoCvsLadestromvsZellspannung.png
BMS Lademanagement
Hyundai Ioniq Electric seit 19.11.16 :idea:

Re: Batterie-Kennwertanalyse mit OBD/Torque (am.Bsp. IONIQ)

Yorch
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Vielen Dank für die Diagramme!

Die 0.88mOhm sind pro Zelle?

Ich muss bei mir auch mal anfangen, Daten aufzuzeichnen.


Was ich noch interessant fände:
-SOC vs. Zellspannungsdifferenz. Hier müssten ja schlechte Zellen eher leer werden.
-Minimale Zellspannung
-Datenblatt der Zellen.

Re: Batterie-Kennwertanalyse mit OBD/Torque (am.Bsp. IONIQ)

KyRo
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Die 0.88mOhm sind pro Zelle, und auch nur der Mittelwert.

Was die anderen Punkte angeht..
- die Zellspannungsdifferenz vs. SoC kann ich morgen nochmal nachliefern. Theoretisch müsste es da einen Zusammenhang geben
- Die Minimale Zellspannung (also BMS SoC 0%) liegt lt. Regressionsmodell bei 3.15V - da der Zusammenhang aber nicht ganz linear ist, wird es tendenziell eher etwas mehr sein
- Datenblatt ist so eine Sache. Es gab mal was, aber nur bezogen auf den Typ (LiPo), nicht auf die Zellen konkret

Bei nochmaligem Blick auf die Ladekurve wird übrigens der einer der Restfehler des Modells deutlich - es gibt offenbar eine Hysterese der Zellspannung beim Laden/Entladen. Für die Berechnung des Innenwiderstandes sollte das aber ohne Bedeutung sein.
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