Es ist nicht angenehm, wenn Dinge teuer werden. Schon gar nicht, wenn es ein so einfaches und praktisches Instrument wie die universelle ESL-Karte betrifft.
Natürlich bietet sich bei Maingau der Vergleich mit einem GAU an, so wie es Stefan Möller von Nextmove
in seinem Video getan hat. Aber er sagt auch: Das ist die Anpassung an die wirtschaftlichen Realitäten und da hat er einfach recht: Mit Verlust verkaufen kann man auf Dauer von niemandem verlangen.
Das Thema Ionity klammere ich einfach sofort aus, das ist nur mehr ein Abwehrangebot.
Zur Auslandsbenutzung: Ich bin überzeugt, dass das als „Reise- und Urlaubsgoodie“ gedacht war, aber es ging durch Übernutzung schief. Ich mag
Bjørn Nyland sehr, der sich als One-Man-Top Gear-Sendung im Bereich der Elektromobilität in mein Herz gechannelt hat. Aber in Norwegen die ESL-Karte als billigen Ionity-Zugang zu promoten, weil sie billigeren Strom ausspuckt als es die Ladesäulenbetreiber selbst schaffen – das war nicht hilfreich, denn das konnte wirtschaftlich über Kleinmengen hinaus naturgemäß nicht funktionieren. Die Kostendarstellung von
MartyMC auf
Seite 630 ist diesbezüglich sehr anschaulich.
Kommen wir also zum Inlandsgeschäft und dem interessanten soziologischen Experiment, das Maingau mit individualisierten Preisen nun unternimmt. Klar finden das manche (viele?) nicht witzig und werden sich diesem Experiment verweigern.
Für mich ist das trotzdem ein spannender Ansatz und niemand kann heute sagen, ob es funktionieren wird oder nicht, also zu einem für Anbieter und Kunden akzeptablen Preis- und Kostenmodell führen wird.
Was mir allerdings bis jetzt fehlt, sind Antworten auf Fragen wie
- Werde ich irgendwann umgestuft, wenn sich mein „derzeitiges Ladeverhalten“ ändert?
- Wird es Feedback geben, wie ich mein Verhalten ändern kann, um in eine günstigere Tarifklasse zu kommen? Es gibt dafür viele Möglichkeiten…
Die Kommunikation des neuen Setups ist leider nicht so toll gelaufen, etwas kurzfristig war die Änderung ebenso. Möglicherweise brennt bei Maingau der finanzielle Hut schon lichterloh und man musste einen Rettungsmonat ins dritte Quartal pressen, wer weiß.
Mir persönlich ist ein weiterer Aspekt wichtig: Elektrisch zu fahren sollte nicht ausschließlich als ein Sparprogramm betrachtet werden, da geht es auch um andere Dinge (beispielsweise zu vermeiden, dass unwiederbringliche Ressourcen verbrannt werden etc. etc.).
Mit der Änderung des ESL-Preismodells von Maingau ist das elektromobile Abendland aber nicht am Ende, es entwickelt sich nur weiter (das wurde in der Diskussion auch mehrmals angemerkt). Veränderungen sind nicht immer bequem und ja, das Umsortieren der Ladekarten nach Tarifänderungen ist immer etwas nervig. Bei den „Standardsäulen“, die ich häufig verwende, ist das aber schnell erledigt. Für die Langstrecke muss man ohnehin häufig nachsehen, weil es ja nicht so ist, dass nur Maingau irgendwelche Preise ändert.
Ich behalte die ESL-Karte also definitiv und werde beobachten, wie sich meine Nutzung verändern wird. Ohne Grundgebühr ist das auch vollkommen risikolos, keiner zwingt mich zur Nutzung.
Was wären die Kommentare gewesen, wenn Maingau einfach Insolvenz angemeldet hätte, wie die Bayerische Energieversorgungsgesellschaft in 2019? Sag zum Abschied leise Servus, es war schön, solange es noch ging...
Das kann man auch nicht wollen…
(Eine längere Fassung mit zusätzlichen Gesichtspunkten gibt es
in meinem Blog und
im elektrischen Harz & Heide-Blog zu lesen.)