Es ist schon richtig, dass eine große Reichweite und ein leistungsfähiges onboard AC Ladegerät die Defizite der aktuell vorhandenen - oder eben auch nicht vorhandenen - DC Ladeinfrastruktur gut kaschieren können. Das nützt mir aber als Kunde nicht viel, da ich nur aus den Fahrzeugen wählen kann, die
a) der Markt mir anbietet und
b) ich mir leisten kann.
Das Konzept des neuen BMW i3 gefällt mir dahingehend sehr gut und er hat auch eine (aus meiner Sicht) sehr gute Harmonie aus Akkugröße und AC Ladefähigkeit. Er kostet aber mal eben das Doppelte von dem was ich bereit war für ein E-Auto auf den Tisch zu legen und damit ist er eben leider keine Option.
Ich würde es daher begrüßen, wenn man auf derartige "Tricks" verzichten könnte, welche die aktuelle Schieflage der Schnellladeinfrastruktur gut vertuschen können. Vielmehr sollte man das Problem an der Wurzel packen und endlich etwas dafür tun, dass mittlere Strecken mit einem E-Auto gut zu absolvieren sind. Es geht ja nicht immer um die hier gezeigten 550 km, sondern manchmal auch einfach nur um die Fahrt von Mittelsachsen ins Vogtland, in die Lausitz oder nach Berlin. Das sind für die Fahrzeuge absolut keine Hürden, aber sie benötigen dafür eben artgerechte Fütterung. Heute, nicht erst 2020.
Jetzt kommen allerdings die 300-400 km Autos, die diese Ladeinfrastruktur kaum noch benötigen, weil sie eben ins Vogtland, in die Lausitz oder nach Berlin einfach mal durchfahren können. Gut platzierte Schnellladesäulen werden dennoch zukünftig benötigt, wenn es eine Masse von Fahrzeugen gibt. Es gibt ja dann doch noch Leute, die mit ihrem 300 km E-Fahrzeug eine 500 km Strecke fahren wollen. Das wird zum Kinderspiel, wenn - und das ist ganz wichtig - JEDE Raststätte und jeder Autohof entsprechend versorgt sind. Allerdings nicht nur mit einer Ladesäule, denn das wird nicht ausreichend sein und war es auch bisher nie. Ein technischer Defekt, ein falsch parkender Verbrenner, viel Stress.
Bezüglich Reichweite vs. Infrastruktur eine kurze Betrachtung meinerseits, bezogen auf die erlebte Strecke:
- mit dem kleinen 18,7 kWh Akku und der Infrastruktur im Ist-Zustand: 11,5 Stunden (ohne BMW Chemnitz)
- mit dem kleinen 18,7 kWh Akku und der Infrastruktur im Soll-Zustand: 9,5 Stunden
- mit dem größeren 27,7 kWh Akku und der Infrastruktur im Ist-Zustand: 8 Stunden
- mit dem größeren 27,7 kWh Akku und der Infrastruktur im Soll-Zustand: 7,5 Stunden
Bei dem größeren Akku kann ich die Abstände zu den Ladesäulen viel besser wählen, so dass ich mit der bereits heute vorhandenen Ladeinfrastruktur ausreichend versorgt bin und ein dichteres Netz hier keinen nennenswerten Zeitvorteil bringen würde, sondern nur eine größere Sicherheit, dass die Ladesäule die ich ansteuern möchte auch frei ist. Ich würde also von Radebeul direkt nach Selbitz fahren und müsste an dieser Stelle den Zustand in Chemnitz nicht berücksichtigen. Das ist aber nur eine Momentaufnahme von der gewählten Strecke und kann auf anderen Touren wieder ganz anders aussehen.
Letztendlich wollte ich mit der Tour ja auch zeigen, dass es prinzipiell möglich ist und man eben nicht zwingend auf dem Abschlepper landen muss. Viele Journalisten wären an dieser Aufgabe vermutlich gescheitert und auch ich habe es nur meiner langjährigen Erfahrung und einer gehörigen Portion Glück zu verdanken, dass wir gestern aus eigener Kraft angekommen sind. Die Strecke war schon sehr abenteuerlich und unter normalen Umständen würde ein Autofahrer nie auf die Idee kommen, so einen wilden Ritt durchs Rhönland und den Thüringer Wald hinzulegen. Ich habe diese Route lediglich gewählt, weil die Strecke Hermsdorf-Radebeul deutlich kürzer ist als Selbitz-Radebeul, sonst hätte ich in Frankenberg gleich noch eine Stunde dranhängen dürfen.
Da schließt sich der Kreis. Mangelhafte DC Ladung erfordert schnelle AC Ladung. Dieser Umstand war mir beim Fahrzeugkauf bekannt, ZOE und ich harmonierten aber nicht.
Die Hinfahrt über A9 und A6 war wesentlich entspannter und mit Geschwindigkeiten bis 115 km/h auch sehr angenehm zu bewältigen. Auf der Rückfahrt konnte ich dieses Tempo praktisch nie fahren, außer auf dem ersten Abschnitt Heddesheim-Frankfurt. Vermutlich blieben die Zellen auch deswegen kühler und ließen die Schnellladung für längere Zeit zu.
Wir möchten die Tour gern einmal jährlich absolvieren. Und ich denke im nächsten Jahr sieht die Welt schon ganz anders aus und es funktioniert alles deutlich besser, einfacher, schneller.
Anbei noch das Roadbook von der gestrigen Tour.
Zeitverlust...
- ca. 30 Minuten: defekte Ladesäule in Eichenzell
- ca. 20 Minuten: längerer Aufenthalt im Gastronomiebereich bei Tank&Rast
- ca. 15 Minuten: Stau wegen Baustelle auf der A71
- ca. 15 Minuten: Zufahrt Ladesäule Frankenberg gesperrt
Kosten:
- Ladesäule ÜW Rhön: pauschal 3,50 Euro
- Allego: insgesamt 76 Minuten geladen. PlugSurfing 0,36 Euro/min bedeutet 27,36 Euro
= 30,86 Euro