Normgerechte Errichtung von Ladeinfrastruktur

Inhaltsverzeichnis [anzeigen]

Dieser Artikel soll einen Überblick über die notwendigen Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen für Ladepunkte von Elektrofahrzeuge geben.

Grundsätzlich gilt: Ladepunkte für Elektrofahrzeuge müssen normgerecht von einem Elektroinstallateur errichtet werden.

Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD / FI)

Hintergrund

Beim üblichen Netzanschluss (TN-Netz bzw. genauer TN-C-S-Netz) übernimmt für jeden Stromkreis ein Leitungsschutzschalter LS, umgangssprachlich Sicherungsautomat oder kurz Sicherung genannt, den Schutz der Leitungen vor Überlast und Kurzschluss sowie den Schutz vor Isolationsfehlern.
(laut VDE 0100-410:2007-06 – Die Sicherheitsgrundnorm hinsichtlich des Schutzes gegen elektrischen Schlag für die Erarbeitung von Errichtungsnormen)

Beim Laden wird das Auto mit dem Stromnetz verbunden, als Schutz vor Isolationsfehlern wird dann ein Schutzleiter verwendet welcher mit der leitfähigen Karosserie verbunden ist. (Siehe: Schutzklasse I)
Bei einem Isolationsfehler fließt dann ein großer Strom im Schutzleiter, wodurch der LS schnell genug auslöst, um einen Menschen vor einem lebensgefährlichen Stromschlag zu schützen. (Geforderte Ausschaltzeit im TN-Netz <0,4 Sekunden)
Zusätzlich kommuniziert jedes Elektroauto mit dem Ladekontroller (=EVSE). Dadurch wird das Ladekabel erst nach dem Anstecken und nach einer Schutzleiterüberprüfung unter Spannung gesetzt. Umgekehrt wird bei einer Schutzleiterunterbrechung das Ladekabel spannungsfrei geschaltet. Elektroautos und Ladelösungen müssen diese international geltenden Normen erfüllen bevor sie zugelassen werden.

Fehlerstrom-Schutzschalter RCD/FI
Häufig werden die englischen Abkürzungen RCD (Residual Current Device) oder RCCB (Residual Current operated Circuit-Breaker) verwendet. Oft ist auch nur von FI die Rede, wobei das F für Fehler steht und das I das Formelzeichen des elektrischen Stroms ist.

Funktionsprinzip: Ein RCD misst mit Hilfe eines Summenstromwandlers den Erdschlussstrom. Ein RCD kann daher nur Differenzströme messen, die nach seinem Einbauort auftreten.
RCD schützen indem sie bei gefährlichen Fehlerströmen gegen Erde den Stromkreis abschalten.
(Im fehlerfreien Betrieb können Ableitströme, Transienten, Stoßstromwellen usw. "gegen Erde" auftreten, bei denen der RCD nicht ausschalten soll. Löst er trotzdem aus, nennt man dies eine Fehlauslösung.) 
Ein RCD begrenzt nicht die Stromstärke des fließenden Fehlerstromes, er begrenzt dessen zeitliche Dauer.
Der Einsatz von Fehlerstrom-Schutzschaltern dient als Zusatzschutz dem verbesserten Schutz gegen direkte Berührung (Schutz=Isolation), dem verbesserten Fehlerschutz (Fehlerschutz=Schutzklasse I, II oder III) und dem verbesserten Brandschutz.

  • 30mA FI Typ A 
    Bemessungsfehlerstrom = 30mA, Typ A  erfasst sinusförmige Wechselfehlerströme und pulsierende Gleichfehlerströme (jeweils mit der Netzfrequenz 50 Hz).
    Bei Neuinstallationen werden alle Endstromkreise (mit 230/400Volt bis 32 Ampere) über einen solchen "30mA FI TypA" abgesichert. (Lt. aktueller DIN VDE 0100-410:2018-10)

Laut EN-Norm wird für jeden einzelnen Ladepunkt ein eigener Stromkreis empfohlen, welcher jeweils durch einen LS und einen FI abgesichert sein soll, um im Fehlerfall nicht andere Geräte mit auszuschalten. 
Laut den aktuellen Normen (DIN und IEC Stand 2018) wird sogar ein zusätzlicher (unnötiger) Gleichfehlerstromschutz gefordert. Ist der Gleichfehlerstromschutz in die Ladelösung (Wallbox oder mobile Ladelösung) eingebaut, so muss dieser laut Norm einen Auslöseschwelle von 6mA DC haben.
Da nahezu alle neuen Ladelösungen (Wallboxen und mobile Ladelösungen) einen solchen 6mA Gleichfehlerstromschutz bereits eingebaut haben, braucht man zum normgerechten Fehlerstromschutz nur den üblichen "30mA FI Typ A"-Schalter, den aber sowieso jeder Elektriker einbaut. 

Achtung: Das Laden an einer Steckdose mit optischen Mängeln (verschmorter Kontakt, gebrochenes Gehäuse) sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Bei einer alten Steckdosen (welche nicht mit einem 30mA Fehlerstrom-Schutzschalter abgesichert sein muss) und einer abgebrochenen Dosenisolierung kann beim Steckvorgang das Berühren eines spannungsführenden Leiters zu einem lebensgefährlichen Stromschlag führen. (Der FI in der Ladelösung kann den Fehler nicht erkennen, da ein FI nur Fehlerströme messen kann die "hinter" seinem Einbauort auftreten.) 

Bemerkung 1: Bei mobilen Ladelösungen ist auch eine "30mA FI TypA"-Fehlerstromüberwachung eingebaut, trotzdem muss lt. Norm der netzseitige Steckdosenstromkreis durch einen "30mA FI Typ A"-Schalter abgesichert sein. In einer fix verdrahteten Wallbox kann ein solcher Schalter aus komfortgründen bereits eingebaut sein, da man dann lt. Norm keinen weiteren solchen Schalter im Verteiler braucht. (Ein weiterer Schalter erhöht zwar dann den Schutzpegel der Zuleitung, die beiden 30mA FI Schalter schalten jedoch nicht selektiv aus.)
Bemerkung 2: Einen FI mit hoher Zuverlässigkeit gegen Fehlauslösungen kaufen. In Österreich ist daher der "30mA FI TypG" (=kurzzeitverzögert und stoßstromfest) vorgeschrieben. Ein "30mA FI TypG/A" entspricht auch der deutschen VDE-Norm.
Bemerkung 3: Laut Herstellerangaben sollte man den Prüfknopf des FI zweimal pro Jahr (am einfachsten jeweils bei der Zeitumstellung) drücken (damit der Auslösemechanismus leichtgängig bleibt), und nach jeder Auslösung nach einem Fehlerfall drücken (damit der Ringeisenkern entmagnetisiert wird).
Bemerkung 4: Bei Altanlagen (TT-Netz), aber auch bei vielen Neuanlagen (wegen Vorgaben des Netzbetreibers) ist ein weiterer FI (z.B. selektiver 300mA FI ) im Verteiler eingebaut, der "alles ausschaltet" und daher Laienhaft als "Hauptschalter" bezeichnet wird.

Gleichfehlerstrom-Schutzeinrichtungen nachrüsten

Die meisten aktuellen Ladelösungen (Wallboxen und mobilen Ladelösungen) bieten eine integrierte 6mA Gleichfehlerstrom-Überwachung. In diesem Fall muss lt. Norm nur der sowieso übliche Fehlerstrom-Schutzschalter "30mA Typ A" Netzseitig installiert werden.
Hat die Ladelösung noch keinen Gleichfehlerstromschutz eingebaut, und möchte man diesen (unnötigen und für bestehende Anlagen nicht nachrüstpflichtigen) Zusatzschutz nachrüsten, so kann man hier nachlesen wie man dies bewerkstelligt.

  • Typ A-EV: Spezieller Fehlerstrom-Schutzschalter für Elektroauto-Ladeinfrastruktur des Herstellers Doepke. Erfasst zusätzlich zur Funktionalität des 30mA Typ A glatte Gleichfehlerströme bereits ab 6 mA.
    Der DFS4 040-4/0,03-EV kostet 300€.
    Er wurde hauptsächlich in mobilen Ladelösungen verwendet.
  • 30mA Typ B: Allstromsensitiver Fehlerstrom-Schutzschalter. Erfasst zusätzlich zur Funktionalität des 30mA Typ A ein Gemisch von Fehlerströmen unterschiedlicher Frequenzen sowie glatte Gleichfehlerströme ab 30 mA.
    Europäische Fabrikate kosten über 400€ bzw. auf ebay um 200€. Das chinesisches Fabrikat EKL6-100B gibts sogar mit TÜV-Zertifikat auf aliexpress.de um unter 100€ (inkl. Versand).
    Er wurde üblicherweise im Verteilerkasten eingebaut.

Bemerkung 1: Die aktuellen Normen sehen auch für das einphasige Laden einen Schutz vor glatten Gleichfehlerströmen gegen Erde vor, obwohl ein solcher Fehler physikalisch unmöglich ist!
Bemerkung 2:
 In der DIN/VDE wird willkührlich festgelegt, dass die Funktionsfähigkeit eines FI TypA-Schalters nur bis zu einem glatten Gleichfehlerstrom von 6mA gewährleistet ist. Daher stammt die Forderung das jeder FI TypA vor Gleichfehlerströmen >6mA zu schützen ist. Daher sollte dem 30mA FI TypB netzseitig kein FI TypA vorgeschaltet werden, da ansonsten der FI TypA "erblinden" könnte. (Der Begriff "erblinden" ist falsch, da der FI nur vorrübergehend, während des Gleichfehlerstromes, eine erhöhte Auslöseschwelle hat.) Laut dem Funktionsprinzip eines 30mA FI TypA und laut unabhängigen Messungen schaltet aber in diesem Fall der 30mA FI TypB aus. Schon bevor es zu einer Beeinträchtigung des 30mA FI TypA kommt!
Bemerkung 3: Renault ZOE
Die ZOE ist meines Wissens das einzige Fahrzeug welches die Motorwicklung als Teil des Laders benutzt. Die ersten ZOEs (Q210 bis BJ2014?) hatten schon im fehlerfreien Betrieb beim dreiphasigen Laden Ableitströme bis zu 6mA DC. Renault empfahl (=Z.E- Ready Standard) daher beim dreiphasigen Laden zum Fehlerstromschutz einen "30mA FI TypB"-Schalter. Neue mobile Ladelösungen müssen jedoch nach aktueller Norm (Stand 2018) einen 6mA DC Fehlerstromschutz eingebaut haben. Bei neueren ZOEs (ab BJ 2015?) ist jedoch auch ein 6mA Gleichfehlerstromschutz kein Problem.

Dauerbelastbarkeit von Schukosteckverbindungen

Schukosteckdosen und -stecker tragen üblicherweise die Aufschrift 16A (Stromstärke 16 Ampere). Tragen sie das ÖVE- oder VDE-Prüfsymbol, sind sie auf 16A Dauerstrom geprüft (Prüfungsdauer = 1 Stunde, weil nach spätestens ½ Stunde die Endtemperatur erreicht ist). Hierbei dürfen sich jedoch die Teile um 45°C (Raumtemperatur + 45°C!) erwärmen! Siehe Prüfnorm.

Googelt man "verschmorter Schuko", so findet man viele Bilder von verschmorten Schukodosen und -steckern, welche teilweise schon bei Dauerströmen kleiner 8A verschmorten!
Die Ursachen sind vielfältig:

  • Schlechte Kontaktierung bei den Anschlussklemmen
  • Versagen der Zugentlastung
  • Ladeziegel ohne Aufhängung (Gewicht des Ladeziegels belastet Dosenkontakte unzulässig)
  • Im Laufe der Jahre verschmutzen bzw. korrodieren die Steckdosenkontakte. Dadurch steigt der Übergangswiderstand und der Kontakt erwärmt sich bei Stromfluss unzulässig. Die Halteklammern verlieren dadurch ihre Klemmkraft, wodurch der Übergangswiderstand weiter steigt.


Die mit den Elektroautos mitgelieferten "Schuko-Ladekabel" begrenzen den Ladestrom je nach Hersteller auf 8-11 Ampere.
Zusätzlich ist bei vielen im Schuko-Stecker ein Temperatursensor eingebaut, wobei dann manchmal die Strombegrenzung auf bis zu 13 A erhöht wird.
Andere Hersteller verwenden einen Reed-Kontakt im Schuko-Stecker und eine besonders belastbare Schukosteckdose in welcher ein Magnet eingebaut ist. (Wird der Stecker in diese Dose eingesteckt, so wird der Reed-Kontakt vom Magneten betätigt und das Schuko-Ladekabel erlaubt dann das Laden mit einer höheren Stromstärke.) Je nach Hersteller wird bei Verwendung dieser Dose dann der Ladestrom vom Schuko-Ladekabel auf 12A, 14A oder 16A begrenzt.
Im Onlinehandel sind günstige chinesische Schuko-Ladekabel erhältlich, welche den Ladestrom auf 16A begrenzen und keinen Zusatzschutz vor Überhitzung bieten. Die Schuko-Steckverbindung verschmort daher über kurz oder lang. Entfernt ein Elektriker die Schuko-Steckverbindung (Stecker und Dose) und ersetzt sie durch einen CEE16blau-Steckverbindung, oder verdrahtet das Kabel fix in einer Verteilerdose, so kann auch mit dieser Ladelösung problemlos geladen werden.   

Laut Wikipedia sind für Dauerströme von 16 A die blauen CEE16-Steckverbinder, umgangssprachlich „Camping- oder Caravanverbinder“, besser geeignet. Dort sind nicht nur die Kontakte deutlich größer ausgeführt, die Steckverbinder sind auch für Außeneinsatz spezifiziert. Der Kontaktdruck und damit verbunden die Steckkräfte können durch die mechanische Ausführung größer gewählt werden.

Dimensionierung von Leitungsquerschnitten

Die Verlegung eines Kabels sollte man einem Elektriker überlassen, welcher das Kabel auch richtig dimensioniert. Nichtsdestotrotz findet man im Internet auch gute "Kabelrechner".

Hat man zu Hause am Standplatz des Autos noch keinen Stromanschluss, so verlegt der Elektriker zumeist ein "dickes Kabel". (Dreiphasiges 5x6mm2 Kabel für Ladeleistungen bis zu 3*230V*32A = 3*7,2kVA = 22kVA.) Damit kann man jedes aktuelle Elektroauto mit der max. Ladeleistung seines Boardladers laden.
Durch hohe Ladeleistungen benötigt man weniger Ladezeit.
Um die Leitungsverluste zu senken, wird oft empfohlen, den Leiterquerschnitt größer zu wählen als notwendig.

Andererseits hat man beim Laden über Nacht zu Hause genug Zeit, die täglich gefahrenen Kilometer nach zu laden.
Wer seinen Strom aus der eigenen PV-Anlage oder aus dem Hausakku holt, der lädt sowieso mit niedrigen Ladeleistungen.
Durch große Kabelquerschnitte wird das Kabel teurer und die Verlegung erschwert bzw. ein mobiles Ladekabel wird unhandlicher. 

Formel zur Berechnung der Leitungsverluste in €.



Beispiel: Ein Elektroauto wird ausschließlich zu Hause geladen, wobei um 20.000km pro Jahr zu fahren ca. 3.500 kWh geladen werden müssen. Bei einem Strompreis von 0,25€/kWh ergeben sich daher Stromkosten von 3500*0,25=875€. Es soll  mit max. 16 Ampere geladen werden, wobei bei Neuverlegungen üblicherweise ein 2,5mm2 Leiterquerschnitt gewählt wird.
 
a) Es soll einphasig geladen werden:

Leiterquerschnitt   Leitungsverluste pro Meter und Jahr
1,5 mm² 1,40 € /(m*a)
2,5 mm² 1,40*1,5/2,5 = 0,84 €/(m*a)
4 mm² 1,40*1,5/4 = 0,52 €/(m*a)

b) Es soll dreiphasig geladen werden:

Leiterquerschnitt   Leitungsverluste pro Meter und Jahr
1,5 mm² 1,40/2 = 0,7 € /(m*a)
2,5 mm² 0,84/2 = 0,42 €/(m*a)
4 mm² 0,52/2 = 0,26 €/(m*a)

Ergebnis: Die Kostenersparnis durch die geringeren Leitungsverluste können demnach die zusäztlichen Kosten durch den dickeren Leitungsquerschnitt und die aufwendigere Verlegung (insbesonders bei dreiphasigen Kabeln) nicht ausgleichen. Andererseits kostet ein dickes Kabel nicht viel im Vergleich zu den Verlegekosten, und es wird daher vorsorglich ein unnötig dickes Kabel verlegt. (z.B. Erdkabel 5x6mm2 statt 5x2,5mm2 verursacht < 5€/lfm mehr Materialkosten.) Ich würde empfehlen ein passend dimensioniertes Kabel in einem dicken Schlauch zu verlegen, dann kann man später einfach weitere Kabel einziehen.