Hallo allerseits,
ich hatte nun die Gelegenheit, ein Wochenende in einem BYD E6 zu verbringen. Das war schon eine sehr interessante Erfahrung. Hierbei nochmal ganz herzlichen Dank an die Firma Trafa in Weinstadt-Endersbach bei Stuttgart, dass sie mir das Auto zur Probefahrt ausgeliehen haben. Meine Eindrücke waren:
1) Groß: ein richtig großer Wagen mit gut Fußraum hinten und einem großen Kofferraum. Man sitzt recht hoch wie in einem Van. Die Räder sind 235/65/R17 Traktorräder die jedem SUV Ehre machen.
2) Schlicht: das übliche Klimbim in aktuellen Elektroautos fehlt. Keine Tatsch-Schirme, sondern LCD-Anzeigen und klassische Knöpfe, Kunststoff-Interieur wie in einem Passat von 1987, Kunstledersitze. Das (Kunst?)lederlenkrad greift sich gut. Es ertönen keine Melodien beim Einlegen des Rückwärtsgangs, es gibt auch keine Animationen beim Einschalten. Die Audioanlage sind ein CD-Spieler (echt jetzt!), Radio und ein Aux-Eingang. Punkt. Kein USB oder gar Blauzahn. Kein Navi (laut Trafa ist die Navi-Einheit für Deutschland noch nicht freigegeben).
3) Nur die Instrumententafel wirkt futuristisch, aber doch nüchtern. Es ist ein großer Bildschirm, zentral angelegt wie im Renault Espace, aber auch hier kein unnötiger Schnickschnack, sondern einfache, klare Informationen über das Fahrzeug: Geschwindigkeit als Zeiger und Zahl, ebenso Ladezustand und Momentan-Energieumsatz. Dazu das übliche, wie Uhrzeit, Km-Zähler (Gesamt sowie 2 Tageszähler), Uhrzeit, Datum, Temperatur. Die Energieumsatz-Anzeige ist zu zappelig, da kann man kaum etwas ablesen. Ansonsten ist die Anzeige aber übersichtlich und logisch.
4) Man hat Stauraum in den Türen und der breiten Mittelkonsole. Links vom Lenkrad ist auch ein kleines Fach für Parktickets, Handys o.Ä. Warum BYD aber kein Handschuhfach vorgesehen hat, bleibt für mich bei dieser Fahrzeuggröße ein Rätsel. Nachbessern. Im Kofferraum haben sie zugunsten des ebenen Bodenens zuviel Platz nach unten verschenkt. Da sind diese große Styropor-Halterung für Werkzeug und ein richtiges(!) Ersatzrad. Das alles würde ich eher rausnehmen. Die Rücksitzlehne kann man nur ungeteilt umklappen, aber leider die Sitzfläche nicht hochklappen -> verschenkter Platz, nachbessern!
5) Geräuschvoll. Es surrt wie eine U-Bahn beim anfahren, bei 30 brummt es ziemlich, und bei 130 auf der Autobahn ist der Gräuschpegel eigentlich nicht vom Benziner zu unterscheiden. Das ist schade, wo doch bei Elektroautos gerade hier das Potential liegt, Fahrten angenehmer zu machen.
Die Geräusche sollen beim 2016er-Modell besser geworden sein. Aber ich bin nunmal den Vorgänger gefahren.
6) Durchaus effizient:
Ich war überrascht, wie sparsam man mit diesem hohen und schweren Auto fahren kann. Ich konnte mit 125-130km/h auf der Autobahn mit ca. 25-26kWh/100km auskommen, wenn ich einigermaßen gleichmäßig fuhr. Wohlgemerkt fuhr ich mit Winterreifen und Klimaanlage bei 21° im Schatten. Es waren auch ein paar Beschleunigungs-"orgien" drin zum überholen. Das ist gut. Damit hält er mit seinen 60kWh die realen 300km Reichweite und mehr. Überland dürfte noch mehr drin sein. Man sollte auf der Autobahn immer im "Sport"-Modus fahren, mit Eco hat er zuwenig Kraft (Begrenzung auf 40kW).
7) Flink: für seine Masse beschleunigt der BYD E6 recht gut, auch bei 100km/h. Man sollte nicht die Agilität einer Zoe oder gar eines Tesla erwarten. Aber träge ist er auch nicht. Auch bergauf zieht er ordentlich. Fühlt sich so ein bisschen an wie ein "Elektro-Diesel". Auch hier ist es im Eco-Modus eher traurig. Ich würde den "Sport"-Modus eher als "Normalmodus" bezeichnen.
8) Intuitiv: die Fahrbedienung ist wie bei der Zoe: wenn man das Strompedal loslässt, rekuperiert er leicht (bis ca. 20kW), beim leichten Bremsen mehr (ich glaube bis 60kW). Beim Übergang in die Rekuperierung ruckelt es leider deutlich. Segeln ist eine ziemliche Fummelei mit dem Pedal. Der "Gang"-Hebel ist auf dem Armaturenbrett. Die Bedienung ist klar und logisch, nur wirkt er ein bisschen klapprig. Besser wäre entweder ein kleiner Lenkradhebel oder ein massiver Knüppel.
9) Teuer: Als Privatperson kann ich mir diesen Wagen zu diesem Preis nicht leisten. Brutto würde der Wagen gerade noch in die vom Staat geförderte Spanne von unter 60000€ passen. BYD rechnet vor, dass sich die Mehrkosten nach 70.000km amortisiert hätten. Das habe ich aber nicht kontrolliert.
Kleiner Seitenhieb dazu: ein BYD-Verkäufer in China sagte mir, wenn ich bzw. ein ortsansässiger Chinese ihn dort kaufte, würde China 100.000元 zuschießen, das sind mal eben über 14.000€! Das nenne ich gefördert! Damit kostet der Wagen in China (300.000元 - Zuschuss) unter 29.000€ netto. Das wär ein absolut angemessener Preis. Auch für 35.000€ wäre das noch interessant.
10) Innovativ: die "Starthilfe" für andere, mit leerer Batterie liegengebliebene Elektroautos finde ich eine tolle Idee. Konnte ich mangels passendem Kabel (2x Typ2 männlich) leider nicht testen. Da wäre eine Außensteckdose für den Betrieb der Cerankochplatte beim Campen noch eine Idee
Fazit: für Privatpersonen kann ich den Wagen noch nicht empfehlen, dafür kostet er zuviel und bringt nicht entsprechende Annehmlichkeiten. Aber er ist das was BYD gut kann: ein gutes Nutzfahrzeug. Als Gewerbetreibender, der täglich Kilometer reißt, aber mit vielen Zwischenstöppen, könnte ich mir das Auto vorstellen, zumal man als Betrieb ja auch keine Umsatzsteuer darauf zahlt. Die großen Räder dürften auch einen Betrieb in schmutzigen Umgebungen oder im Wald erlauben.
Beste Grüße,
Roland