Interessante Frage... Ja, ich fahre definitiv jetzt mehr Auto. Viel mehr. Aber eigentlich war es umgekehrt, weil durch berufliche Änderungen erheblich größere Strecken auf mich zukamen, bin ich auf Elektro umgestiegen (bzw. bin noch in der Übergangsphase). Es wären auch andere Lösungen denkbar gewesen, zum Beispiel ein Umzug an einen Ort von dem aus ich die Kilometer erheblich reduziert hätte oder sogar mit dem Fahrrad hätte fahren können. Hätte ich das gemacht wenn Elektroautos nicht verfügbar gewesen wären? Nein, ich glaube nicht. Ich hätte mir dann auch ein komfortableres Auto gekauft als ich vorher fuhr, aber eben einen Verbrenner. Hätte ich trotzdem ein paar Fahrten dann mehr eingespart? Ja, das kann ich mir vorstellen, aber vielleicht auch nicht, schwer zu sagen.
Wie sieht es sonst aus in meinem Alltag? Ich fahre sehr gerne Fahrrad und wenn es geht nutze ich das. Mit meinem Fahrradanhänger kann ich auch prima Großeinkauf machen und Geschäfte sind dafür auch in Reichweite. Das Fahrrad gibt mir immer ein dreifach gutes Gewissen: Es ist ökologisch sinnvoll, ist für mich selbst gut (ist ja quasi Sport und soll gesund sein) und ist auch aus finanzieller SIcht kaum zu schlagen. Dazu kommt noch, dass ich häufig sogar schneller bin als mit dem Auto, denn ich fahre auf Abkürzungen durch Nebenstraßen einfach am Stau vorbei. Eigentlich macht mir das Fahrradfahren dabei auch Spaß. Jetzt gibt es natürlich Situationen wo mir das Fahrradfahren weniger Spaß macht, zum Beispiel wenn es kalt und nass draußen ist. Und dann hat mein Fitnissstudio auch noch eine kostenlose Ladestation. Womit wir wieder beim Tanktourismus wären: In so einer Situation ist es extrem verlockend mein E-Auto zu nehmen. Wenn ich nicht zu Hause laden könnte, dann würde ich mit Sicherheit mit dem Auto fahren. So muss ich mir immer selbst ins Gedächtnis rufen, dass es jetzt doch wirklich Schwachsinn ist nicht das Fahrrad zu nehmen, insbesondere wenn ich mir nochmal die Ironie von dem Vorgang vorstelle mit dem Auto ausgerechnet in ein Fitnisstudio zu fahren um den Bewegungsmangel aufgrund des Autofahrens auszugleichen o_O. Ob ich das wirklich so durchhalte wird dann im Winter nochmal auf die Probe gestellt. Kann ich mir vorstellen, dass jede Menge andere Leute spätestens jetzt unnötig mit dem Auto fahren? Ja, denke schon.
In dem Zusammenhang finde ich es aber noch stark erwähnenswert, was denn eigentlich außer der Mobilität geschieht. Wer glaubt durch sein E-Auto jetzt umweltfreundlicher unterwegs zu sein gönnt sich dafür andere Umweltsünden. Zum Beispiel Langstreckenflüge mit denen er an einem Tag mehr Dreck schafft als er im ganzen Jahr (oder sogar an mehreren Jahren) einspart. Na dann herzlichen Glückwunsch.
GTE_Ebi hat geschrieben:Natürlich macht es mal Spaß an der Ampel etwas "Strom" zu geben, aber das wars dann auch schon - es ist insgesamt ein viel entspannteres und stressfreieres Fahren in dem Auto, was zu einer entschleunigten, ökonomischen Fahrweise führt.
Dieser psychologische Effekt ist meiner Meinung nach nicht zu vernachlässigen, wird aber - warum auch immer - in keiner Studie untersucht oder auch nur ansatzweise erwähnt.
Fragt sich nur inwieweit der Effekt auch einen messbaren Unterschied macht. Klar, der Energieverbrauch der Fahrt selbst sinkt, aber nicht die Herrstellungskosten des Fahrzeugs oder die miese Ökobilanz des Straßenbaus.
Da kommt noch hinzu, dass wir zumindest hier in Deutschland alle "early-adopter" sind. Wir sind alles Leute, die sich mit dem Thema im Detail beschäftigen und viele von uns verstehen sogar etwas von Physik. Das trifft auf die Masse der Leute nicht zu. Die Masse der Leute geht zum Autohändler, kauft sich ein Auto was der Händler am besten anpreist und was in einer Probefahrt einen brauchbaren Eindruck macht und dann drücken sie das Gas wenn sie schneller wollen und die Bremse wenn langsamer und bewegen das Lenkrad mehr oder weniger passend dazu ohne darüber nachzudenken und wundern sich dann, dass ihr Verbrauch ja viel höher ist als vom Hersteller angegeben. Unter norwegischen Autofahrern, wo das E-Auto auch schon bei "normalen" Menschen angekommen ist dürfte sich ein deutlich klareres Bild zeigen als hier.