kurze Vorstellung bei meinem ersten Post im Leaf-Unterforum: ich heiße Max, bin Ende 30, wohne in Stuttgart, habe mal Elektrotechnik studiert und bin entsprechend einigermaßen technikaffin. Meine Brötchen verdiene ich bei einem großen Automobilzulieferer.
Im Moment haben wir zwei Autos: einen Peugeot 5008 (entspricht etwa einem VW Touran) und einen mittlerweile zehn Jahre alten Skoda Fabia mit 1,4l-Benziner, der mich täglich brav nach Reutlingen und zurück trägt. Auch wenn der es sicher noch eine Weile tut, kann man sich allmählich Gedanken über eine Ersatzbeschaffung machen.
Durch zoepionierins Blog angefixt, hatten wir vor einer Woche eine Testfahrt mit einer Zoe gemacht und waren eher mittelmäßig angetan. Ausführlicher Bericht ist hier: http://www.goingelectric.de/forum/renau ... tml#p57667.
Das Autohaus Wurst in Reutlingen hat mir nach einer vorsichtigen Anfrage nach einer Probefahrt dann einen Nissan Leaf Tekna gleich für ein ganzes Wochenende zur Verfügung gestellt - vielen Dank an Herrn Schmid an dieser Stelle.
Anforderungen bei mir:
- Regelmäßiger Transport von einem Erwachsenen und zwei Kindern auf Kurzstrecken
- Tägliche Fahrtroute: Weilimdorf->Stuttgart Innenstadt->Reutlingen->Weilimdorf (rund 100 km, davon 20 km Stadtverkehr, 20 km Bundesstraße, 60 km Autobahn/autobahnähnliche Straße). Mit Rekuperieren ist da nicht viel.
- Laden nur zu Hause. In Reutlingen gibt es zwar eine Ladesäule, deren Benutzbarkeit ist aber fraglich. 400V/32A liegen bereits in der Garage, bringen nur leider beim Leaf wenig.
- Gelegentlich verlängert sich die Fahrtstrecke noch mal um 30 oder 60 km am Tag (ist aber meistens planbar).
Im anderen Bericht hatte ich mich recht kritisch über die Zoe geäußert. Der Leaf ist völlig anders (jedenfalls in der Tekna-Ausstattung): reinsitzen, wohlfühlen. Ich gebe das Auto morgen sehr ungern zurück. Und bevor jemand die Frage stellt: nein, ich war nicht vorbelastet und bin völlig naiv an das Thema herangegangen. Vor zwei Wochen wusste ich gerade mal, dass Nissan und Renault beide Elektroautos im Programm haben, sonst nichts.
Erster Eindruck
Von außen ist das Auto kein Designwunder. Ich war einige Male in Japan, dort ist das eine gängige Designlinie. Auf hiesigen Straßen ist es doch eher ein bisschen fremd.
Praktisch hat das aber keine großartigen Auswirkungen. Allerdings ist das Auto völlig unübersichtlich. Die Rundumkameras waren überaus hilfreich, ohne diese hätte der Leaf jetzt sicher ein paar Kratzer.
Von innen war es: reinsitzen, wohlfühlen. Ein paar Negativpunkte habe ich unten, das ist aber Kritik auf hohem Niveau.
Leider hatte ich keine Anleitung bekommen. Ob man mich mit den 400 Seiten nicht erschrecken wollte?
- Die Tekna-Ausstattung (mein Eindruck: Leder auf den Sitzen und Kunstleder an den Türverkleidungen) wirkt edel, hochwertig und gut verarbeitet.
- Wer um alles in der Welt hat denn die Schalter verteilt? Gefühlt der zweijährige Sohn des Entwicklungsleiters. Überall kann man irgendwie draufdrücken, es passiert auch was, aber ein Konzept dahinter habe ich nicht gefunden. Touchscreen, Klima/Heizungs-Taster, Multifunktionslenkrad, Sitzheizungsschalter in der Mittelkonsole, Lenkradheizungsschalter im Fummelbereich links unten - Nissan, das ist kein Ruhmesblatt. Und für das Design des Multifunktionslenkrads ist der Praktikant eingesprungen, oder?
- Die Sitze sind gut, auch gegenüber der Referenz VW-Konzern. Ich war positiv beeindruckt. Sind die Sitze Serie in allen Varianten, oder gibt´s die nur beim Tekna?
- Der Beifahrersitz hat kein Isofix. Schade.
- Die Innenraumbeleuchtung ist etwas duster.
- Dafür ließ die Xenon-Beleuchtung keine Wünsche offen.
- Der Rückwärtsfahrpiepser wurde mit "klingt ja wie ´ne Müllabfuhr" kommentiert.
- Dicker, fetter Minuspunkt: Schnellladung ist faktisch unmöglich. Im Umkreis von 100 km hier gibt es genau eine Chademo-Säule (übrigens bei Autohaus Wurst). Nissan, besorgt euch von Renault den Chamäleon-Lader, ihr habt doch beide Charlos Ghosn als Chef. Baut ihn ein, und der Leaf ist so gut wie perfekt.
- Ganz saublöd: am ersten Abend habe ich den Leaf zu Hause eingesteckt und dachte, er sei am nächsten Morgen dann geladen. Pustekuchen: nichts war passiert, Restreichweite 22 km. War etwas peinlich, weil ich bereits das Auto mit interessierten Mitfahrern rappelvoll hatte
Keine Ahnung, was der Fehler war. - Die Restreichweitenanzeige ist ein ziemliches Schätzeisen. Man hat sich im Nissan Castle erkennbar viel Mühe damit gegeben, aber sie lässt einen trotzdem zwischen sinnloser Hoffung und unbegründeter Panik schwanken. Meine Frau bekam bei Restreichweite 15 km leichte Panik (es waren noch rund 3 km nach Hause).
- Auf den Vordersitzen konnten wir (170 und 186 groß, beide normalgewichtig) gut sitzen. Das Platzangebot war großzügig.
- Auch hinten passte es ohne Probleme. Drei Kindersitze (irgendwie wollten am Wochenende alle unbedingt Elektroauto fahren) passten locker rein. Und meine Frau war mit dem Probesitzen hinten zufrieden.
- Der Kofferraum ist hinreichend groß, wenn die Klappe bündig statt ein bisschen eingesenkt wäre, ginge noch etwas mehr rein. Den Wasserkasten-Härtetest haben wir nicht gemacht, der Metro-Einkauf ging aber völlig problemlos rein.
Wie auch bei der Zoe ist leider die Ladekante sehr hoch.
Zum Tastenchaos habe ich ja schon oben was geschrieben.
- Ich habe auch nach fast drei Tagen den Eindruck, bei den Möglichkeiten des Touchscreens nur an der Oberfläche gekratzt zu haben.
- Die Navi ist etwas umständlich zu bedienen, der Touchscreen an sich aber ist ganz gut. Die Ansagen der Navi sind präzise, aber in einem furchtbaren Deutsch (ja, mich stört das). Und wenn man mal von der Route abweicht, rechnet die Navi nicht neu, sondern versucht, einen auf den rechten Weg zurückzulotsen ("falls möglich, bitte wenden..."). Weiß jemand, wer die liefert? Denso? Conti?
- Das geteilte Kombiinstrument - oben Geschwindigkeit, Uhrzeit, Temperatur und eine mir unerfindliche Effizienzanzeige, unten dann die ganzen Details - fand ich gut.
- Der kompakte Schlüssel ist toll.
- Der Knubbel in der Mitte ist witzig. Ich habe nach den Hinweisen hier wohlweislich darauf verzichtet, beim Fahren auf P zu drücken.
- Vielleicht betreibe ich das Laden ja zu umständlich, aber meine momentane Vorgehensweise: Klappe öffnen, Kabel holen, am Auto einstecken, Garage auf, Kabel in die Wandsteckdose, Fahrertür wieder auf, Verriegelungstaster drücken, Tür zu, abschließen ist irgendwie suboptimal. Ich habe aber, wie gesagt, keine Anleitung.
In der Summe sind wir jetzt etwas über 200 km mit dem Leaf gefahren, ein bisschen Stadtverkehr, ein bisschen mehr Landstraße und recht viel Autobahn/autobahnähnliche Bundesstraße. Ich hatte zeitweise Mühe, mal wieder auf den Fahrersitz zu dürfen
Die Geräuschkulisse erschien mir noch mal eine ganze Ecke leiser als in der Zoe. Auch hier summt es ein bisschen wie in der S-Bahn, aber das war sehr dezent. Ab etwa 50 km/h sind die Abrollgeräusche deutlich zu hören, ab 80 km/h die Windgeräusche. Ab etwa 100 km/h ist das Fahrzeug ähnlich laut wie ein gut gedämmter Verbrenner.
Im langsamen Verkehr ist das Auto quasi geräuschlos.
Leistung und Drehmoment waren jederzeit genug da, ich hatte nie das Gefühl, dass mir das Auto verhungert. Auch Zwischenspurts, z.B. von 50-80 km/h, waren absolut ok. Von der Ampel weg lässt man sowieso alles stehen, was Diesel oder Benzin schluckt.
Der Unterschied zwischen Eco und normal ist frappierend. Ich habe Eco eigentlich nur zur Regelung der Rekuperationsstärke, d.h. quasi als Retarder, genutzt.
In der Zoe besser gefallen hat mir die Ökopunkteanzeige. Der Nissan ist hier technischer und zeigt alle möglichen informativen Grafiken an, die man aber selbst einordnen muss. Ich habe noch nicht rausgefunden, wie denn mein/unser Verbrauch lag. Sonderlich toll wird er durch den hohen Autobahnanteil nicht sein.
Fazit
Die Technologie ist faszinierend, und der Leaf ist ein vollwertiges, hochwertig wirkendes Auto - bravo Nissan.
Für meine Fahrtstrecke ist das Auto aber nur sinnvoll, wenn mir mein Arbeitgeber eine Steckdose stiftet. Die faktisch fehlende Schnelllademöglichkeit ist ein massiver Nachteil, denn mit dem Auto kann ich mich so nur im Umkreis von 100 km ums Zuhause bewegen.
Wenn Fa. Wurst mir für das Auto ein prima Angebot macht, könnte ich schwach werden. Die häusliche Finanzverwaltung wird so ein Auto aber vermutlich nur gebraucht ins Haus lassen - fast 37.000 EUR ist einfach deutlich mehr, als für einen Zweitwagen drin ist. Auch wenn man den Leaf eher mit einem Golf als einem Polo vergleichen muss. EIne Gesamtkostenrechnung habe ich im Zoe-Thread (s.o.) mal gemacht, die dürfte für den Leaf nicht grundlegend anders ausfallen.
Viele Grüße,
Max