Habt ein bisschen Mitleid für unser armes Social Media Team. Die können sicherlich nichts dafür. Warum glaubt ihr gibt es in E.On zwei Abteilungen zur E-Mobilität, und dann auch noch Innogy?
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Hier ist die Geschichte eines Stromanbieter-Großkonzerns, nennen wir ihn einfach mal S.AN
("Strom.An").
Was bisher geschah:
Ca. 2008 beschloss S.AN, dass man auch mal etwas mit diesem E-Mobilitätskram zu tun haben muss, weil das gerade so in ist, und das PR und der Vorstand da irgend etwas von labern. Es wurde ein schickes Budget und ein Headcount zur Verfügung gestellt, und das für Jahre, ohne irgend einen Druck auf Erfolg. Es gab ja noch keine Elektroautos.
Diese neue Abteilung, das "
E-Mobility Innovation & Competence Power Center"
(kurz ICP oder "InComP") - eine Stabsabteilung des Vertriebsvorstands mit wie gesagt viel Geld - brauchte also Leute. Also wurden alle Abteilungen aufgefordert ihre besten Leute, die auch mal außerhalb ihrer komfortablen Schachtel denken konnten, dorthin zu schicken. Wie das in großen Konzernen so üblich ist, wurden natürlich ganz definitiv die absolut Besten der Besten dorthin weggelobt und -befördert. Weil wen interessiert schon das Tagesgeschäft, das Geld verdient?
Die neue Abteilung - mit all ihrer geballten Kompetenz - war dann auch gleich ganz gut dabei, das Geld auszugeben - vor allem, indem man externe Berater Power-Points malen und externe Dienstleister Säulen bauen ließ - letzteres vor allem mit Geld von irgendwelchen Bürgermeistern, die mal dringend in die Zeitung mussten.
Alles war super Shiny!
Zehn Jahre später.
Jeder in der Abteilung hatte es sich so super komfortabel gemacht. Nach einem kleinen Anfangsschock so ca. 2012 - Tesla - war mit dem Superchargern die erste Risikoprüfung für Europas zukünftig größtes Ladenetz mit bravour gemeistert worden.
Alles lief in geordneten Bahnen. Jeder wusste, was er zu tun hatte
(v.A. also wie man Incident "bearbeitet"). Erfolge und Boni wurden in Pins auf der Landkarte gemessen. Der Staat gab Geld. Die Bürgermeister schüttelten Hände. Die PR-Abteilung konnte überall toll Werbung für den eigenen Strom tapezieren und in der Werbung eine große Zahl von diesen verfügbaren Steckerhalterdingsens bewerben. Mit dem neuen Mega-Deal über den Betrieb von so Stromsteckdingern auf den Parkplätzen von Tank&Rast hatte man diese Anzahl gerade auch noch mächtig erhöht.
Alles war super Shiny!
Und dann kam Tank&Rast daher und war so unverschämt sich anstatt über die Hotline gleich direkt beim Vorstand darüber zu beschweren, dass bei ihnen einige Kunden nicht laden konnten. Kunden, die noch nicht einmal daran gedacht hatten, dass es Tank&Rast hieß, nicht Lade&Rast. Und die einfach nicht zu wissen schienen, dass Elektroautos einfach noch nicht weit fahren können. Und der Vorstand fragte auch noch an, warum denn da so ein Problem beim Laden bestünde.
Das war natürlich jetzt doof. Wer konnte 2008 schon vorher sehen, dass noch vor der eigenen Rente mit mehr als einer handvoll Kunden zu rechnen sei?
Also wurden viele Besprechungen abgehalten und letztendlich ein externer Dienstleister beauftragt. Der hatte dann auch eine super, bahnbrechende, absolut geniale Idee, welche alle Probleme lösen würde: eine auf dem Mobiltelefon laufendes Programm, mit der jeder Kunde jede Säule einfach und ohne Zutun der Stabsabteilung starten konnte, und wodurch sogar Geld in die Kassen gespült wurde! Das hervorragende Power-Point, bei einem hervorragenden Enten-Weihnachtsessen vorgestellt, war eindeutig. Also wurde der Dienstleister
unverzüglich im Mai 2018 beauftragt die Software zu schreiben. Selber kümmerte man sich vor allem um das "
Lenken" und "
Kontrollieren" des ganzen Vorhabens, und dem Löschen, err, bearbeiten der Incident-Tracker - mit gnadenlosen Arbeitszeiten von 9-15:55 Uhr am Tag, 32 Stunden die Woche.
Die Software wurde dann endlich aufgespielt. Aber leider, leider ging irgend etwas schief. Zumindest nahmen die Arbeitslast noch nicht ab
(d.h. die Beschwerden im Incident-Tracker wurden nicht weniger) und es lief auch definitiv nicht so wie auf dem Power-Point dargestellt. Zumindest erschien kein Geld von Nutzern auf dem Konto von S.AN.
Das war natürlich jetzt wieder doof. Schließlich war die Software intern als Lösung aller Probleme schon fest gesetzt und der Vorstand erwartete Ergebnisse!
Also wurde in vielen endlosen, komplett überfüllten Besprechungsrunden erörtert, wie man das Problem lösen könnte. Also so komplett, holistisch, für immer und überhaupt. Diesmal natürlich richtig. Aber so eine Analyse dauert natürlich, vor allem, weil jetzt schon so unerwartet wieder Weihnachten vor der Türe steht!
Was die Zukunft bringt:
Ungefähr im März (2019), wenn jeder wieder aus dem Urlaub und den vielen Überstunden aufgrund der Besprechungen zurück ist, wird man dann die wichtigste Frage geklärt haben:
wer hatte die Schuld. Aus gut informierten Quellen ist bereits zu hören, dass es höchstwahrscheinlich ein Festplattendefekt eines der externen Entwicklers gewesen sein wird, welche als Subkontraktor in Indien entwickelt hat.
Das konnte natürlich
niemand voraussehen.
Natürlich gab es auch Umsetzungsprobleme und der externe Berater hat sich nicht an die Vorgaben der Projektleitung gehalten. Zudem waren die Ziele viel zu optimistisch und der Markt hat sich anders entwickelt, als erwartet. Und natürlich waren die ganzen Störungen im Telekommunikationsnetz der Kunden, natürlich immer genau dann wenn diese laden wollten, komplett außerhalb der eigenen Macht.
Es ist also zu erwarten, dass im April eine neue Ausschreibung stattfindet. Die Präsentationen Anfang Mai werden natürlich ausführlichst analysiert und dann schnellstmöglich eine faire, unparteiische Entscheidung getroffen. Der neue externe Berater - ein wirklich namenhaftes Beratungshaus mit hervorragendem Ruf, mehr sei noch nicht verraten - wird dann ab Juli mit der Arbeit beginnen. Er wird nach drei Monaten einen Bericht vorlegen, welche die grundlegenden Mängel an der "App" des Mitbewerbers ausweisen wird. Davon sind jetzt schon mehrere wichtige Punkte bekannt, z.B. das nicht passende Design zum Eigenbild, die falsch platzierten Knöpfe und eine umständliche Benutzerführung.
Da man aber aufgrund des kompletten Versagens des letzten externen Beratungshauses mit all den defekten Ladesäulen und Incidents im Tracker so unglaublich viel zu tun hat, muss die komplette Neuentwicklung natürlich Extern erfolgen - diesmal auch mit der Projektsteuerung. Man wird sich also auf die Abnahme der dann natürlich perfekten Lösung beschränken. Dafür braucht man aber ganz dringend noch drei Vollzeitkräfte mehr.
Die Entwicklung wird wohl sechs Monate in Anspruch nehmen und mit einem noch einmal dreimonatigen Puffer
(man hat ja gelernt) dann Mitte 2020 ausgerollt werden. Schneller ist es einfach nicht möglich, wegen der total besonderen Umstände bei S.AN gegenüber den anderen Mitbewerbern, bei denen alles viel einfacher ist.
Ab Juli 2020 ist dann wirklich alles gut! Versprochen!
Der erste Change Request für den Vertrag ist auch schon abgestimmt. Die Incidents aus dem Tracker sollen demnächst automatisch bearbeitet und die Tickets geschlossen werden.
Was sonst noch geschah:
Währenddessen hat der Vorstand der S.AN auch schon zwei weitere eigene Projekte angestoßen:
1) Die Übernahme eines existierenden, funktionellen Ladenetzes "
Erfindery".
2) Die Gründung eines neuen "
Innovationhub S.AN E-Mobility" (InS.ANE). Dazu wurden gezielt echte innovative, dynamische Personen mit Interesse an der E-Mobilität gesucht, welche sich auch trauen die rauen, feindlichen und durch die von ICP ausgesetzten Treibminen verseuchten Gewässer der Social Media zu navigieren. Aufgrund interne Prozesse ist die Steuerung des Regelbetriebs aber noch Aufgabe der ursprünglichen "EIC", zumindest an den Bestands-Ladestandorten.