Jetzt verstehe ich auch, warum mir der Wagen als Sympathisant und langjährigem Fahrer französischer Fahrzeuge so gut gefällt. Hat zwar bei den "falschen" Franzosen gearbeitet, aber man kann denen zumindest nicht vorwerfen sie würden langweilige Designlinien auf den Markt werfen.
Hatte heute die Gelegenheit mit einem i3 Rex eine kleine Runde als Beifahrer zu erleben. Hier mal ein Bericht, nicht aus der Warte eines Motorjournalisten, sondern von einem normalen Fahrer, der eine große Sympathie zu E-Fahrzeugen hat:
Wer bereits Erfahrungen mit einem E-Fahrzeug gemacht hat (bei mir waren es 3 Monate mit dem Leaf und eine längere Probefahrt mit dem Zoe), erlebt als Beifahrer keine große Überraschung. Die übliche Ruhe, angenehme Beschleunigungswerte und die Rekuperation sind nichts besonderes mehr. Da wird dann wohl der bisherige Verbrennungsfahrer ganz anders darauf reagieren. Aber was geht in einem vor, wenn man zum ersten Mal den Wagen live sieht.
Er wirkt in Natura ziemlich erwachsen. Kein Vergleich zu einem Polo, Zoe oder gar einem Up von VW. Dagegen wirkt er eher wie ein richtiges Auto. wie auch immer man das definiert. Er wirkt auch um einiges stämmiger als der A2 von Audi. Ich würde ihn auch nicht als "Van-artig" einstufen, von den Proportionen definiert er eigentlich eine neuen Klasse. Der Einstieg vorne eröffnet - zumindest für die normalen BMW Fahrer - eine ganz neue Erfahrung. Man zwängt sich nicht in ein Fahrzeug, man steigt wie früher in ein Fahrzeug ein. Die Sitze sind in der Tat recht angenehm und der Fußraum riesig. Die Kopffreiheit ist vorne beachtlich, ebenfalls das luftige Ambiente des Amaturenbretts inkl. der schön weit entfernten Frontscheibe. Man fühlt sich in keiner Weise irgendwie eingeengt, die Seitenfenster und auch die Armauflagen sind in einer angenehmen Höhe, so wie man es früher von den Fahrzeugen gewohnt war.
Beim Einstieg hinten hört man ja die unterschiedlichsten Meinungen. Gut über das Türkonzept kann man diskutieren (vor allem das man die hintere Tür nur öffnen kann, wenn der Vordermann abgeschnallt ist und er seine Tür geöffnet hat). Das wird vor allem für die tägliche Fahrt zum Kindergarten bzw. Schule ein Problem, da der Fahrer dann meist zur Beifahrerseite rutschen muss um die Tür zu öffnen und seine Sprösslinge sicher zur Gehsteigseite aussteigen lassen kann. Zumindest sollten die dann auch die hintere Tür wieder schließen, sonst ist aussteigen angesagt.
Wenn man mal von diesem konzeptionellen Malus absieht, ist der Einstieg nach hinten (1,75m, nicht der dünste Mensch) komfortabel. Auch das aussteigen ist bequem. Man hält sich einfach an der Vordersitzlehne fest und kommt so ohne große Anstrengungen wieder aus dem Fahrzeug. Deutlich bequemer wie bei einem reinen Zweitürer.
Die Sitze hinten sind auch angenehm groß, die Kopf- und Beinfreiheit ist gut aber sie sind härter wie die Vordersitze, was bei der einen oder anderen Unebenheit deutlicher zu spüren ist wie vorne. In Summe sitzt man aber auch dort bequem und kann die normalen Reichweiten des i3 locker ertragen. Da der Wagen aber wahrscheinlich zu 70 oder 80% und mehr nur mit einer oder max. zwei Personen besetzt ist, kann man das verschmerzen, zumal es wenige Fahrzeug im Bereich von < 4m gibt in denen man wirklich angenehm hinten sitzen kann. Nun das Gepäckabteil ist jetzt nicht der Burner, aber es dürfte für die üblichen Transportaufgaben des i3 ausreichen.
Um es mal für die Zielgruppe deutlich zu machen: die Golfbags inkl. der klappbaren Trolleys für zwei Leute können dank umklappbarer Sitzelehnen gut verstaut werden und drei Kisten Bier dürften im normalen Kofferraum auch unterzubringen sein. Auch reicht das Gepäckabteil um drei Flugreisende inkl. max. zulässigem Gepäck zum Flughafen zu bringen. Und im Gegensatz zu der Plastikverschalung der Mitbewerber im Kofferaumbereich, die relativ schnell verkratzen können, hat der i3 das Problem nicht.
Und wie fährt er sich? Böse Zungen könnten jetzt sagen, wie ein ganz normales E-Fahrzeug. Das Wow-Gefühl für Leute, die einen EV kennen bleibt wohl aus. Aber, er ist sehr leise, leiser als der Leaf, die Verarbeitung ist sehr gut, wenn auch der Anblick auf die Innenverkleidung bzw. das Amaturenbrett etwas gewöhnungsbedürftig ist.
Aber bleiben wir noch etwas beim Fahren. Er ist keine Sänfte, aber er ist auch nicht unkomfortabel. Ich würde ihn vom Komfort in etwa in die Klasse des 3er BMW einordnen. Vielleicht einen Tick härter bei Kanaldeckeln oder Fahrbahnunebenheiten, aber nicht wirklich störend. Er ist komfortabler wie der Zoe, wobei das keine wirklich Kunst ist. Er ist aber einen Ticken härter wie der 2012 Leaf. Die Beschleunigung ist natürlich Klasse da ist ein richtiger Wums dahinter, die Rekuperation setzt angenehm ein, nicht so ruckartig wie beim Leaf. Der REX ist vorne während der Fahrt kaum bzw. nicht hörbar. Im Stand, bzw. wenn das Fahrzeug rekuperiert schaltet er sich automatisch ab. Hinten bekommt man allerdings das Motorgeräusch mit, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau. Wie schon hier gelesen kann er ab 30% Restladung des Akkus manuell zugeschaltet werden. Das kann man individuell auf einer der 8 "Stationstasten" programmieren. Ähnlich wie beim Leaf kann im Eco Modus bei durchgedrücktem Gaspedal die volle Leistung abgerufen werden. Im Display wird dann allerdings signalisiert, das man sich nicht mehr im Eco Modus befindet. Die Beschleunigung ist aber auch im Eco Modus mehr als ausreichend. Den Eco+ Modus braucht man eigentlich nicht. Schaltet man wie bei allen E-Fahrzeugen Klima oder Heizung manuell aus steigt auch beim i3 sofort die Km-Leistung an. Im + Modus macht er das halt automatisch und begrenzt die Höchstgeschwindigkeit auf 90 km/h.
Und mit REX wird er auch "langstreckentauglich" Das zuschalten des Motors geschieht vollkommen geräuschlos, kein Ruckeln oder sonstiger Ungemach stört die Fahrt. Würde man nicht im Display sehen, das er an ist, würde es gar nicht auffallen. Im Frontdisplay wird einem auch angezeigt wie viele km man mit REX und wie viele km elektrisch zur Verfügung hat.
Was vielleicht auch für manche eher störend ist, ist der Ladestecker an der Seite. Mir wäre er vorne lieber gewesen, denn in der Praxis sind unsere Garagen eher eng geschnitten, dafür aber tief. Da ist seitlich meist nicht so viel Platz um die Ladestation zu installieren oder das Kabel komfortabel einzustecken.
An was man sich gewöhnen muss ist das "Recyclingmaterial" in weiten Bereichen zwischen Armatur und Frontscheibe und der Türen. Das wirkt jetzt nicht nach 40.000 Euro Fahrzeugen. Allerdings muss ich auch sagen, dass die Plastiklandschaft der normalen BMW's auch nicht wirklich prickelnd bzw. hochwertig wirkt. Schön gelöst ist das "Lade- und Kabelfach" im Frontbereich des Wagens. Das hat beim Leaf immer gestört, zumal man ja immer zwei Kabel mitführen musste, die dann im Kofferraum oder im Fußraum der Rücksitze lagen. So gesehen ist das Antriebskonzept hinten beim i3 von großem Vorteil. Irre in dem Zusammenhang auch der Wendekreis. Das muss man einfach mal erlebt haben wie klein der Radius im richtigen Autoleben ist.
Obwohl es sich bei dem Wagen noch um kein Serienmodell gehandelt hat, war die Verarbeitung sehr gut. Alles wirkte sehr solide, so wie man es von den Wagen aus München gewohnt ist. Nichts klapperte. Alle Bedienungselemente machten einen guten Eindruck.
Und was ist mein Fazit?
Der Wagen weckt die Begierde ihn besitzen zu wollen. Und er ist trotz des Preise jeden Cent wert. Er ist auch kaum mit einem Zoe oder Leaf geschweige denn mit einem e-up oder einem e-Smart zu vergleichen. Er wirkt erwachsen, er wirkt solide und er bietet auf seinen 3,99 m ein unvergleichbares Raumgefühl und die angenehme Art mit einem E-Fahrzeug unterwegs zu sein.
Ob das jetzt wirklich Premium ist kann ich und will ich auch nicht beurteilen, aber mit dem i3 betritt ein Fahrzeug die Bühne, bei denen die Nerven bei VW und vor allem Audi ziemlich blank liegen dürften. Gegenüber einem i3 wirkt ein Golf - auch mit E-Antrieb - wie ein Fahrzeug aus längst vergangenen Tagen. Alle die in schon bestellt haben, dürfen sich auf ein tolles Auto freuen, allen anderen empfehle ich die Probefahrt. Für mich persönlich steht jetzt fest, das er im Herbst nächsten Jahres mein Eigen sein wird.
Juergen