https://www.zeit.de/mobilitaet/2018-04/ ... auf-bmw-vw
...Selbst in Europa wird es eng für den Verbrenner. Helsinki, Oslo, aber auch London und Paris haben angekündigt, dass ab spätestens 2030 Fahrzeuge mit Dieselmotor nicht mehr in die Stadt dürfen. Norwegen und die Niederlande wollen ab 2025 landesweit keine Verbrenner mehr zulassen, sogar Frankreich und Großbritannien haben ein Verbot für spätestens 2040 angekündigt.
Gut, dass es da immer noch den Heimatmarkt gibt. In Deutschland jedenfalls hält die Bundesregierung weiter fest zu den Unternehmen. Der Vorschlag der EU-Kommission vom Herbst 2017, Quoten für Elektrofahrzeuge einzuführen, wurde auf Betreiben der deutschen Bundesregierung abmoderiert. Wie überhaupt in Brüssel bei der Regulierung nichts geschieht, was die Deutschen nicht billigen. Deutschland blockiert nach wie vor die Verschärfung der Schadstoffgrenzwerte und die Einführung einer CO2-Steuer. Deutschland achtet auch darauf, dass die europäischen Messverfahren zur Kontrolle von Schadstoffen und Verbrauch so ausgelegt werden, dass die deutschen Hersteller diese bequem unterschreiten können.
Die Bundesregierung schützt die Autoindustrie und befindet sich hier offenkundig in guter Gesellschaft mit der Bevölkerung. Man tat und tut alles, damit die Deutschen weiterhin ihre Verbrennungsfahrzeuge lieben.
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Die Autoabhängigkeit, ein Gefangenendilemma
Doch das Blatt hat sich gewendet. Es gibt einfach zu viel vom Glück. Der Bestand ist auf mehr als 46 Millionen Pkw angewachsen, das bedeutet, dass in Deutschland mehr als 550 Autos pro 1.000 Einwohner zugelassen sind. Mehr als 200 Millionen Sitzplätze werden spazieren gefahren oder stehen den größten Teil des Tages ungenutzt herum. Da reicht auch die beste Infrastruktur nicht mehr aus. Und rund 99 Prozent der Fahrzeuge fahren mit Verbrennern. Das ist schlecht für das Weltklima, aber auch sehr schlecht für die Innenstädte. In Dutzenden werden teilweise seit mehr als zehn Jahren kontinuierlich die Grenzwerte für Stickoxide überschritten.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat im Februar aber klar ausgesprochen, dass die Gesundheit der Bürger höher zu bewerten ist als die grenzenlose Freiheit von Dieselfahrzeugen. Und wie reagiert die Öffentlichkeit? Der Untergang des Abendlandes droht. Die ARD bringt einen Brennpunkt, als ob ein neuer Krieg begonnen hätte oder eine Naturkatastrophe eingetreten wäre. Aus der Komplizenschaft ist längst ein Gefangenendilemma geworden. Keiner traut sich raus aus der Autoabhängigkeit, weil keiner weiß, wie der jeweils andere reagierte.
Dabei haben die Menschen in den Städten längst damit begonnen, neues Glück zu suchen. In vielen Großstädten ist das Auto nur noch bei weniger als einem Drittel der täglichen Wege das Verkehrsmittel der Wahl. Menschen gehen zu Fuß, fahren Fahrrad oder nutzen Busse und Bahnen. Bike- und Carsharing oder neuerdings auch das Ridesharing, also sozusagen digitale Anrufsammeltaxis, werden immer beliebter. Dort, wo es nutzbare Alternativen zum eigenen Auto gibt, werden diese auch genutzt....