Ich kenne mich mit der Schweizer Schnelllade-Infrastruktur ziemlich gut aus. Einerseit betreibe ich den entsprechenden Blog
http://www.schnellladen.ch, wo alle neuen Schweizer Schnelllade-Stationen vorgestellt werden (auch jeweils in diesem Thread:
http://www.goingelectric.de/forum/lades ... t4757.html).
Andererseits, da ich selbst aus der Region Winterthur komme und mit meinem Leaf regelmässig unsere Verwandschaft in der Westschweiz und Innerschweiz besuche.
Die Westroute Genf - St. Gallen ist in der Tat bereits recht gut ausgebaut. Die Strecke ist auch problemlos kostenlos zu machen. Man braucht einfach etwas mehr Zeit, da diese kostenlosen Ladestationen (häufig mit dem EVite Label) meist nur 20kW bieten. Es gibt durchaus auch kostenlose 50kW Lader. Diese sind dann aber schon seltener und nicht immer optimal gelegen.
Die Tendenz ist auch in der Schweiz ganz klar weg von der Kostenlosen-Ladung hin zu kostenpflichtigen Ladungen an 50kW Stationen. Hier hat MOVE bereits im letzten Jahr mit ABB Terra Stationen in Grauholz (bei Bern) und Bursins VD begonnen. Dieses Jahr sind dann noch Fribourg, Estavayer-le-lac und Ecublens hinzugekommen. Wenn man also oft eher im Westen der Schweiz unterwegs ist und gern etwas schnelller lädt, dann ist man mit einer MOVE-Karte gut beraten. Ich habe mit kleinen Kindern auf der Rückbank nicht immer die Musse lange an einem 20kW Lader zu verweilen
Was derzeit im Aufkommen ist, sind Ladestationen mit SwissCharge Anbindung. Hier funktioniert die Bezahlung über Intercharge/Hubject. Das ist sehr bequem und erfordert neben einem Smartphone und einer Kreditkarte keine vorgängige Anmeldung. Mit einer Anmeldung können hier erstmals auch Ladestationen kostenpflichtig auf einen bestimmten Zeitpunkt reserviert werden. Auch lässt sich abfragen ob die Station funktionsbereit und frei ist. Hier wurden kürzlich 50kW Schnelllader in Chur und Schaffhausen errichtet.
Anders als beim nördlichen Nachbarn scheint sich in der Schweiz derzeit auch die Erkenntnis durchzusetzen, dass es sinnvoll ist bei Autohäusern jeweils auch die Ladestandards der Konkurrenz anzubieten. Den Anfang machte hier VW mit der AMAG Gruppe bereits Mitte 2014 an 8 Standorten. Anfang 2015 sprang der erste Nissan Händler auf den Zug auf und nach anfänglichem Sträuben hatte nun kürzlich auch der erster BMW Händler ein Einsehen
Was derzeit noch schlecht abgedeckt ist, ist die Route durch die Alpen. Zwar ist das Tessin selbst gut mit Schnellladestationen bestückt, jedoch ist es zwischen dem letzten 20kW 3in1 Lader in Beckenried und dem ersten CHAdeMO in San Antonio bzw. dem ersten CCS in Lamone etwas weit...
Auch die San Bernardino Strecke mit dem letzten 3in1 Lader in Chur hat es in sich. Ist beides im Sommer auch mit einem Leaf zu schaffen und wurde auch schon öfter gemacht (nicht von mir). Aber warum hier die Raststätten oder Energieversorger rund um den Gotthard nicht endlich etwas anbieten ist mir wirklich unerklärlich. Mit 22kW Typ 2 Ladegerät ist hier die Situation wie immer etwas entspannter als mit einem DC Lader...
Und nun noch ein Ausblick in die Zukunft. Alpiq werkelt mit Swisscom, Siemens und der Zürich Versicherung an einem neuen Abrechnungssystem für die Schweiz. Sobald dieses steht, werden diverse bisher kostenlose Ladestationen diesem System angeschlossen und somit kostenpflichtig werden. Ich kann mir sogar vorstellen, dass dies einen Grossteil der derzeitigen EVite Stationen betreffen wird, welche ja vorwiegend von Alpiq installiert (nicht finanziert) wurden.
Man kann das nun schade finden. Ich denke jedoch dass die Zukunft nicht in kostenlosem Strom liegt, man lädt ja ohnehin vor allem zuhause. Wenn die Ladung unterwegs etwas kosten darf, dann lock dies auch Investoren auf den Plan, welche etwas verdienen wollen und sich auch zuverlässig um die Säulen kümmern bzw. für einen hohen Durchsatz sorgen wollen. Das bedeutet im optimalen Endeffekt: Gute Standorte, reservierte Plätze, Schnelle Stationen, wenige und nur kurze Ausfälle und Redundanz.
Mir ist das tausendmal mehr wert als kostenlos von 20kW zu 20kW hangeln zu können, was derzeit zwar schon fast schweizweit möglich ist, aber wohl der Mehrheit der potenziell Umsteigewilligen nicht zugemutet werden kann.
Beste Grüsse
Thomas