soho, dann spricht jetzt dein Stammtisch gegen den anderen Stammtisch.
Man muss die Verstromung von Kohle nicht übermäßig schön reden, aber ein paar Dinge kann ich so nicht stehen lassen.
Nehmen wir als Beispiel die Lausitz. Dort betreibt Vattenfall drei große Braunkohlekraftwerke - Schwarze Pumpe, Boxdorf und etwas weiter nördlich das Monster von Jänschwalde.
1) Die dafür notwendige Braunkohle wird direkt neben den Kraftwerken gefördert. Dass das der Natur schadet und auch die ein oder andere Ortschaft deswegen nicht mehr existiert, ist bedauerlich. Durch den regionalen Zusammenhang zwischen Tagebau und Kraftwerk sind die Transportwege äußerst gering.
2) Energieträger aus dem eigenen Land bedeuten weniger Abhängigkeit vom politischen Willen des Auslands.
3) Es schafft regionale Arbeitsplätze, zum einen durch die Kohleförderung und den Kraftwerksbetrieb selbst und zum anderen bei der späteren Rekultivierung, was eine beeindruckende Seenlandschaft und wachsenden Tourismus in einer sonst so öden Gegend bedeutet. Ich sag nur Lausitzer Seenland, Abraumförderbrücke F60, Industriemuseum Knappenrode und viele weitere.
4) Kohlekraftwerke sind bei Weitem nicht mehr so dreckig wie das noch vor 40 Jahren der Fall war. Damals gab es schwarzen Qualm und verrußte Kleidung auf der Wäscheleine, das einzige was man heute noch sieht ist hauptsächlich Wasserdampf und dazu gibt es natürlich eine recht große Menge CO2, das ist sicher nicht schön zu reden. Die massiven Waldvorkommen in Brandenburg wollen aber auch leben und wir haben alle mal gelernt, dass unsere Pflanzen nur mit CO2 funktionieren. Da bei der Verbrennung von CNG ebenfalls CO2 entsteht, ist das auch nicht besser.
5) Es ist sogar möglich, ein Naherholungsgebiet direkt neben einem Kohlekraftwerk zu errichten. Als Beispiel möchte ich hier den
Landschaftspark Bärwalder See erwähnen. Wie du siehst arbeitet das Kraftwerk Boxberg im Hintergrund, aber: die Luft ist rein - und viel sauberer als man das von einer belebtem Innenstadt je behaupten könnte. Eben zum wohl fühlen. Als Fahrradfahrer hinter einem Verbrennerauto fühle ich mich nicht wohl, sondern belästigt.
6) Verbrennerfahrzeuge werden mehrmals am Tag kalt gestartet mit all den dadurch entstehenden Nachteilen. Das Kraftwerk läuft rund um die Uhr und mit entsprechend wenigen Stickoxiden.
7) Das Kohlekraftwerk ist gleichzeitig Fernwäremlieferant. Verbrennerautos können Häuser dagegen nicht mit heizen. Das erhöht den Wirkungsgrad des Kohlekraftwerks zusätzlich.
8) Eine Million Elektrofahrzeuge erhöhen den Strombedarf in Deutschland nur um wenige Prozent. Man wird dem Kraftwerk also nicht mal den Unterschied ansehen, zumal man ja die Möglichkeit hat, den Bedarf an Kohlestrom durch weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien zu reduzieren.
9) Wenn du Kohlekraftwerke so abstoßend findest, dann schalte doch einfach alle Sicherungen bei dir zu Hause aus.
Wir haben im Dresdner Stadtzentrum ein Gaskraftwerk für Strom und Wärme. Das ist ebenfalls eine Energieform, mit der ich micht zumindest anno 2015 durchaus arrangieren kann. Aber: das Gas kommt eben nicht aus Deutschland. Und auch das Öl für den Antrieb der Autos kommt eben nicht aus Deutschland. Die Kohle dagegen zu einem großen Teil schon, mit den oben genannten Vor- und Nachteilen.
Gasautos selbst haben auch Nachteile, erst in einer kürzlich veröffentlichten Auto Bild war ein Bericht von einer verärgerten Familie drin, die nicht mehr mit CNG fahren darf, weil die Erdgastanks von VW durchgegammelt sind. Sie fahren jetzt mit wohlriechenden Benzinkanistern durch die Gegend. Und das ist wohl kein Einzelfall.
Man kann kurz denken und einfach solche Sätze vor sich hin brabbeln oder man schaut sich die Kohleregion einfach mal live und in Farbe an. Dann sieht man, was sich dort alles entwickelt hat. Und wie wirtschaftlich wichtig das Thema für Deutschland noch ist. Die Kohle hat die Lausitz zu einem vergleichsweise wohlhabenden Fleckchen Deutschland gemacht. In vielen Ortschaften stehen moderne Einfamilienhäuser mit PV auf dem Dach.