Jetzt kommt das aber: allein um das bei diesem kleinen Akku zu ermöglichen, werden 80 kW Ladeleistung benötigt. Das heißt die aktuell schnellsten CHAdeMO Ladestationen in Deutschland wären dafür zu langsam.
Genau! Da liegt das Problem. Die aktuelle Ladesäulen-Infrastruktur kann man komplett wieder einstampfen. Fehlentwicklung. Am Bedarf vorbei entwickelt und gebaut. Und daher kann man fast von Glück reden, dass es nur so wenig Ladesäulen gibt...
Elektromobilität muss den Bedarf erfüllen. Und der Bedarf beschränkt sich nicht nur auf die täglichen Fahrten im Nahbereich wo eine Reichweite von nur 100 km den allermeisten Deutschen ausreichen dürfte. Der Bedarf umfasst eben auch die "seltenen" längeren Fahrten (Urlaub, Ausflüge etc.) und auch bei denen muss ein EV praxistauglich sein. Strecken von 1000 km pro Tag müssen (wenn auch eher selten) ohne nennenswerten Planungsaufwand erzielbar sein. Ohne Zwangsübernachtungen. Ohne mehrstündige Zwangspausen. Ziele ohne Lademöglichkeit wird es dabei immer geben.
Es gibt doch nur 2 Szenarien für eine erfolgreiche Elektromobilität:
1. Große Reichweite im Bereich der aktuellen Benziner, damit man auch längere Fahrten bewältigen kann. Das heißt dann 400-500 km Minimum - auch im Winter. Ladepausen braucht man dann auch auf längeren Strecken nur selten. In der Regel wird zu Hause geladen und auch das nur maximal 1-2 mal pro Woche beim Durchschnittsfahrer. 400 - 500 km Reichweite bedeutet aber Akkus von 60 - 200 kWh - je nach gewünschten Fahrleistungen und Fahrzeuggröße. Mit aktueller Ladetechnik sind das (22 kW) 3-10 Stunden Ladezeit. Selbst mit 100 kW bräuchte man 40-120 Minuten. Das ist für "Durchreisende" unzumutbar.
Vorteil 1: Die Fahrer müssen ihr Nutzungsverhalten nicht wesentlich ändern.
Vorteil 2: Das Netz von Ladestationen muss nicht ganz so dicht sein, da man durch die seltenen Ladepausen auch kleine Umwege in Kauf nehmen kann (wenn sie z.B. vom intelligenten Navi geführt/geplant werden).
Nachteil 1: Große Akkus kosten mehr, wiegen mehr, verbrauchen mehr Ressourcen
Nachteil 2: Hohe Ladeleistungen nötig, damit die großen Akkus in akzeptabler Zeit geladen werden können. Wobei nach 400 km auch eine halbe Stunde Ladezeit akzeptabel ist. Macht aber auch 120-400 kW Ladeleistung. Vielleicht akzeptiert Otto-Normalfahrer auch 60 Minuten um zu Mittag zu essen. Dann reichen auch 60-200 kW.
Nachteil 3: Ladesäulen werden nicht so stark frequentiert, weil fast jeder zu Hause lädt. Entsprechend gering ist der Anreiz für die Anbieter Ladesäulen zu errichten. Klar: An den Autobahnen wird es sicher kein Problem geben. Aber auf dem Land? Abseits der Hauptverkehrsstrecken?
2. Geringe Reichweite (150-200 km) die für tägliche Fahrten ausreicht. Akkukapazitäten von 30-50 kWh sollten bei den meisten Fahrzeugen reichen. Geladen wird auch hier oft zu Hause, aber "längere Strecken" beginnen dann halt bei 100 km und kommen deutlich häufiger vor. Da man häufiger "extern" laden muss, werden mehr Ladesäulen gebraucht die auch mehr genutzt werden (müssen). Dafür müssen die Ladezeiten kurz sein um eine hohe Akzeptanz beim Fahrer zu erreichen.
Vorteil 1: Kleine Akkus = geringes Gewicht, geringe Kosten, geringer Ressourcenverbrauch
Vorteil 2: Häufige Nutzung von Ladepunkten = Anreiz für die Anbieter solche zu errichten
Nachteil 1: Hohe Ladeleistung nötig damit die häufigen Ladevorgänge akzeptiert werden. 10 Minuten maximal. 180 kW bis 300 kW Ladeleistung. Besser in Richtung 5 Minuten Ladezeit, also eher 500 kW Ladeleistung.
Nachteil 2: Zwangspausen auf längeren Strecken nach 2 Stunden. Eigentlich gar kein Nachteil, weil es der Verkehrssicherheit zu Gute kommt nach 2 Stunden eine mindestens kurze Pause zu machen.
Nachteil 3: Dichtes Netz von Ladestationen die "einfach" zu finden sind und keine großen Umwege erfordern ist Pflicht. Aber das ist das übliche Henne-Ei-Problem.
Aber egal welches Szenario sich auf Dauer durchsetzt. 22 kW Ladeleistung sind ein Witz. 43 kW sind lächerlich. 100 kW sind immer noch zu wenig. Niemand will eine Stunde bis zur Weiterfahrt warten. Nichtmal 30 Minuten.
Dazu kommen in beiden Fällen die Nicht-Eigenheimbesitzer bzw. Laternenparker. Die sind auf öffentlich zugängliche Ladepunkte angewiesen und auch bei denen muss der Ladevorgang vor Allem schnell ablaufen. In typischen Wohngebieten dürfte es sehr unrealistisch sein, dass es für jedes Auto eine öffentliche Ladestation gibt. Die Dinger würden schlicht viel zu selten genutzt. RWE baut keine 5 Ladesäulen vor ein Mehrfamilienhaus damit die 10 Fahrzeughalter nachts ihr EV laden können während die Gegend tagsüber ausgestorben ist. Und selbst wenn? Wo lädt dann die volljährig gewordene Tochter ihr Auto?
Und auch unterwegs: Mit zunehmender Verbreitung von Elektroautos wird es "Schlangen" an den Ladesäulen geben. 2 Autos vor mir? Jedes lädt 30 Minuten? Ich muss auch 30 Minuten laden? Schon sind aus 30 Minuten 1,5 Stunden geworden. Oder man sucht eine andere Ladesäule. 5 Minuten Suchzeit, Navi programmieren, 10 Minuten Fahrzeit, 10 Minuten zurück auf die eigentliche Strecke. Aus 30 Minuten Ladezeit sind 45 Minuten geworden. Und dann hängt an der zweiten Ladesäule auch schon jemand... Bei einer Ladezeit von 10 Minuten kann ich warten. Je kürzer die Ladezeiten, desto lässiger stehe ich in der Schlange.
Meine persönliches Fazit: Ladeleistungen >200 kW sind meiner Meinung nach der einzige Weg in die Elektromobile Zukunft (wenn man keine Brennstoffzellen etc. will). Kleinere Ladeleistungen helfen nur, wenn sie wirklich ÜBERALL verfügbar sind. An JEDEM Ziel an dem man sich mal länger aufhält. Oder anders herum: Wenn ich einen Ausflug plane und währen des Aufenthalts am Ziel nicht laden kann, dann wird der Ausflug uninteressant, weil ich mit geringer Ladeleistung zu viel Zeit an den Ladestationen verbringe. Elektromobilität muss den Alltag abdecken UND dem Worst-Case standhalten. Sie darf nicht (spürbar) einschränken.
BTW: Warum laden Tesla-Supercharger mit 120 kW? Trotz (oder gerade wegen) der großen Reichweite der Fahrzeuge.
Ciao, Udo