Worum ging es? In Berlin wurden im vergangenen Jahr 5 Schnelllader mit Chademo und CCS und teils 43kW Typ2 und ein Normallader mit Chademo, CCS und Typ2 installiert und konnten seitdem kostenlos genutzt werden, sofern die Säulen nicht mal wieder defekt oder zugeparkt waren. Alle am Projekt beteiligten Unternehmen und Institutionen interessierten sich für die Erfahrungen realer Nutzer.
DIe erste Erfahrung machte ich schon am Eingang. Dort steht eine Vattenfall-Säule, vor der ein nicht zum Laden angeschlossener i3 der Emo parkte. Die haben den Schuss dort offenbar noch nicht gehört, aber von der Emo ist eh nichts anderes mehr zu erwarten.
Etwas leid tat mir der Vertreter von ABB, der auf jeder mehr oder weniger wichtigen Veranstaltung in Deutschland anzutreffen ist und im Land trotzdem kaum etwas verkauft. Schon im letzten Jahr sagte er mir, wie ihm die Quatschsucht und Entscheidungsschwäche in Deutschland… sagen wir mal auffalle. Nun saß er wieder bis spät Abends in Berlin, vermutlich aus Karlsruhe eingeflogen und ohne Chance auf taggleichen Rückflug und musste sich anhören, dass man in Berlin/Brandenburg keinerei Weiterentwicklung der Schnellladeinfrastruktur zu erwarten habe.
Denn das war das offizielle Fazit. Wir als Nutzer dürften uns keine Hoffnungen auf
a) schnelle Besserung der vorhandenen Unzulänglichkeiten und vor allem
b) nicht auf einen Ausbau der DC-Infrastruktur machen.
Für die Beteiligten Unternehmen und Institutionen scheint die ganze Elektroautogeschichte ein einziges Forschungsprojekt zu sein (Ausnahme ABB), bei dem Fehler normal, wenn nicht gar erwünscht sind. Mit dem Argument „Wir forschen doch noch“ wurde alle Kritik beantwortet... und aufgeschrieben. Offenbar ist man sich nicht bewusst, dass die Elektromobilität für einige schon harte Realität und kein Forschungsobjekt ist und dass zugeparkte und defekte Infrastruktur kein Unterpunkt in einem Forschungsbericht sind, sondern Tagesplanungen zerstören, Frustration, Wut, Verzweiflung und Streit auslösen.
Man denkt eher in 5-Jahresplänen, in denen 2012 geplante und als Prototypen gekaufte Schnelllader eben erst 2014 auf die Straße kommen und dort ihre katastrophalen Leistungen (Efacec) offenbaren. Schnell ginge gar nichts, mit etwas Glück bemerke man in 6 Monaten Verbesserungen bei den notierten Kritikpunkten. Ersatz für ein ständig defektes Display in Efacec-Säulen müsste erstmal ausgeschrieben werden, wenns schnell geht, kommen dann in 3 Monaten genug Angebote zusammen. Dass McDonalds kein Parkverbot ausschildere, müsse man akzeptieren, denn das sei so vereinbart worden und werde sich nicht ändern. Gebaute Schnelllader werden keinesfalls auf bessere Standorte umgesetzt. Hoffnung auf stabileren Betrieb mache man sich mit der Installation einer neuen Software auf den Säulen in naher Zukunft.
Von den Entwicklungen in Nachbarländern wussten die in Berlin involvierten Unternehmen mit Ausnahme von ABB nichts. Lieber „erforscht“ man alles nochmal neu, was in Nachbarländern schon seit Jahren funktioniert. Clever wurde für ein staatlich subventioniertes Unterfangen gehalten, obwohl die Dänen alles selbst finanzierten und erstmals nach Aufbau des landesweiten Schnellladenetzes von der EU Geld für die Umrüstung der Chademos auf Triplelader bekamen. Vom estländischen Schnellladenetz und den dortigen Preismodellen wusste man ebenso wenig - außer natürlich ABB, die das dortige Netz betreiben. Die Chademos mit Typ2 werden dort übrigens schrittweise auf Triplelader umgebaut. Wie kann es sein, dass man in einem Forschungsprojekt keine Ahnung hat, was in anderen Ländern passiert?
Die Absurdität, dass man in Deutschland 2015 erforscht, was in Estland und Dänemark seit 2013 im Alltag funktioniert, fiel keinem außer vielleicht ABB auf.
Die Kommunikationsprozesse zwischen den Beteiligten sind de facto nicht existent. Der seit Wochen in der Wilhelminenhofstraße defekte 43kW Typ2 Anschluss beruhte auf einem gefallenen FI, den ABB auch per Fernwartung wieder einschalten kann. Da meine zwei Meldungen an wirkuemmernuns@schnell-laden-berlin.de (Haha) und Vattenfall nicht weitergeleitet wurden, blieb der Anschluss eben bis heute defekt. Von ABB bekam ich jetzt den direkten Kontakt zum Techniker, der unter Nennung der Säulennummer per Fernwartung Defekte analysieren kann.
RWE weiß nicht einmal, was passiert, wenn man bei einem defekten Schnelllader die Hotline anruft („Ich kann die Säule im System gar nicht finden, tut mir leid. Ich wünsche Ihnen trotzdem noch einen schönen Tag“). Dort prüft kein Mensch die eigenen Produkte.
2014 fragte Vattenfall nach Standortvorschlägen für die Schnelllader. Daraufhin fragte ich bei Bakers Drive, einer Drive In Bäckereikette, nach, ob die daran Interesse hätten. Der Geschäftsführer hatte Interesse und ich leitete den Kontakt an Vattenfall weiter. Von diesem Standortvorschlag wusste heute NIEMAND etwas - obwohl man nach eigener Aussage explizit Standorte suchte, an denen die Standortpaten aus dem Vorhandensein des Schnellladers Zusatzumsätze generieren können. Das wird in der Wilhelminenhofstraße und Adlershof nicht passieren.
Sehr zufrieden mit allem war der Vertreter von Hubject, einem JointVenture von BMW, Daimler, Bosch, RWE, Siemens und EnBW. Was soll er auch sonst sagen?
Die Vertreter der Emo hörten nur still zu - vielleicht bei der gereizten Stimmung auch besser so.
Bis zum Schluss war man sich nicht einig, ob man es in Berlin mit einem Forschungsprojekt zu tun habe, oder mit einem kommerziellen Projekt, das sich rechnen müsse. Offenbar handelt es sich um einen Zwitter, bei dem Unzulänglichkeiten mit dem Forschungscharakter und Kritik an den geplanten Preisen mit „Es muss sich rechnen“ beantwortet werden.
Ein Taxi-Unternehmer mit E-Golfs berichtet über seine Ernüchterung. Seine Fahrer, die offenbar in der Begeisterung über die Beschleunigung der Fahrzeuge wie besengte Wildsäue fahren, bekommen Verbräuche hin, die den E-Golf bei den Verbrauchskosten über das Niveau von Autogas heben - erst recht dann mit den geplanten Ladetarifen in Berlin.
Die ab 2016 im öffentlichen Raum Berlins vorgeschriebenen Zeittarife orientieren sich an der maximalen Ladeleistung der Säule, nicht an der maximalen Ladeleistung der Fahrzeuge. Effektiv tötet damit die Stadt Berlin die Elektromobilität ab. Die zahllosen Schnarchlader, die noch heute auch von allen deutschen Herstellern verkauft werden, können ab 2016 nicht mehr öffentlich laden, sofern der User nicht pro 100km soviel zahlen will wie Fahrer eines Bugatti Veyron.
Pro Jahr berechnet die Stadt außerdem 180 Euro pro Säulenstandort im öffentlichen Straßenraum. Es wird nichts unversucht gelassen, um Elektromobilität zu verhindern, dabei aber gleichzeitig so zu tun, als wolle man sie fördern.
Nutzungsstatistiken der Schnelllader wollten weder RWE noch Vattenfall veröffentlichen. RWE will sie wenigstens dem Kreis der Teilnehmer zeigen, sofern die sich verpflichten, die Zahlen nicht öffentlich zu nennen. Die Weigerung, die Zahlen eines Forschungsprojekts zu veröffentlichen, spricht schon für sich selbst - man kann sich denken, wie die zahlen aussehen.
„Meine“ AC-Säule von Vattenfall im Wohngebiet war 2014 übrigens auf Rang 7 aller in der Stadt stehenden Säulen von Vattenfall. Dabei sind es eigentlich nur 2 User, die dort regelmäßig laden. Das reicht schon aus, um auf Rang 7 zu landen. Die Säule in der Holzmarktstraße bei Total steht nur auf Platz 10.