Ich finde es erstaunlich, dass immer das Schreckgespenst der Überlastung unserer Stromnetze gehegt und gepflegt wird. Vielleicht ist ja tatsächlich etwas dran an der Geschichte, aber ich sehe erst einmal das Interesse der Politik daran, die Strompreise genauso variabel zu machen wie die Preise an Tankstellen (oder sogar noch mehr) und den Anbietern wesentlich mehr Kontrolle auf die Haushalte zu geben, als sie in den letzten hundert Jahren benötigten.
Woher auch immer dieses Interesse kommt.
In der Praxis gibt es aktuell maximal 2% BEVs in Deutschland, also höchstens 1 Million. Die durchschnittliche Fahrleistung liegt bei 13.500 km o.ä., den durchschnittlichen Verbrauch könnte man vielleicht mit 20 kWh/100 km inkl. Ladeverlusten rechnen, das ergibt also 1.000.000 * 13.500 km * 20 kWh /100 km * 1 TWh / 1.000.000.1000 kWh = 2,7 TWh im Jahr an Zusatzverbrauch.
Rechnen wir mit 70% der Ladungen zu Hause und 30% extern, liegen wir bei 1,9 GWh, dann liegt der erhöhte Strombedarf bei aktuell 0,33%.
Jetzt kommt das Argument dazu, dass zu Hause "alle" gleichzeitig laden, also bekommen wir bei 13.500 km * 20 kWh/100 km / 365 Tage auf 7,4 kWh pro Tag und Fahrzeug. Nehmen wir weiterhin an, dass diese 7,4 kWh in einer Stunde geladen werden können und jeder tatsächlich täglich diese 7,4 kWh nachladen muss und wird und alle zur gleichen Zeit und alle mit einer Ladeleistung von 7,4 kW, dann kommen wir auf eine Stunde am Tag, an der die Last von durchschnittlich 64,5 GW um 7,4/1000/1000 GWh / h * 1.000.000 Fahrzeuge, also um 7,4 GW ansteigt. Das wären also weniger als ein Achtel des durchschnittlichen Verbrauchs - und das bei all den unrealistischen Annahmen.
Die meisten laden vielleicht zweimal die Woche == 26 kWh, also entzerrt es sich dadurch mindestens um den Faktor 3 (gut zweimal pro Woche), um den sich die konzentrierte Stromentnahme reduziert (wenn sich nicht mit der heimischen PV laden).
Nehmen wir weiterhin die angenommenen 70% Ladungen zu Hause, liegen wir bereits beim Faktor 4,3.
Nehmen wir außerdem an, dass nicht alle um 18:00 einstecken, sondern dass es rechnerisch mindestens drei Zeitbereiche von etwa 3,5 Stunden (26 kWh / 7,4 kW Ladeleistung), die sich nicht überlappen, dann reduziert sich das ganze nochmal um den Faktor drei, also liegen wir dann beim Faktor 13.
Mit einem Faktor 13 steigt die durchschnittliche Verbrauchslast von 64,8 GW um 0,55 GW an, also um 0,9%.
Nehmen wir an, dass die Stromnetze Probleme bekommen, wenn sie in Spitzenlastzeiten 20% mehr leisten müssten, als sie aktuell leisten können. Dann müsste die Last durch privat ladende BEVs also 11 mal höher sein als angenommen. Es ginge also um 11 Mio. BEVs.
Das wären dann etwa 20% bis 25% aller PKW in Deutschland. Schönes Szenarium, aber wenn in Norwegen 7/2021 13,56% aller Fahrzeuge im Bestand (rein?) elektrisch fuhren, dann sieht man, dass es noch ein sehr langer Weg bis zu diesem Punkt ist, zumal die Förderungen gerade abgeschmolzen werden und Norwegen uns in Sachen Förderungen eh sehr weit voraus war. Also rechnen wir mal mit 20 Jahren, bis es soweit sein könnte.
Die Versorger müssten schon extrem schlafen, wenn sie in den nächsten 20 Jahren keine um 20% höhere Spitzenlast anbieten können. Oder anders gesagt: ich sehe zumindest aus BEV-Sicht keinerlei Notwendigkeit für diese Zwangsregelungen und Smartmeter und was es sonst noch so geben soll.
Übrigens ist der Stromverbrauch seit dem Höchststand von 624 TWh im Jahr 2007 auf 565 TWh 2021 gesunken (
https://www.umweltbundesamt.de/daten/en ... mverbrauch) und es ist nicht unbedingt gegeben, dass der Stromverbrauch weiter ansteigt, weil darin sehr wahrscheinlich kein Eigenverbrauch durch PV-Anlagen mit eingerechnet ist und die PV-Anlageninstallationen durch die massiven Energiepreiserhöhungen ebenso massiven Aufwind bekommen. Außerdem hat sich Home-Office weit etabliert, was garantiert nicht zu 100% zurückgefahren wird. Usw. usf..
PV-Anlagen produzieren nach meinen Beobachtungen in den schwächsten zwei Wintermonaten nur etwa 0,8% bis 1% der Gesamtjahresleistung (pro Monat), also bei 51 GW installierter PV-Leistung gibt es im Dezember und Januar etwa 50 TWh Jahresleistung * 0.01 = 400 bis 500 GWh / Monat.
Die 624 TWh im 2007 konnten übrigens auch ohne Probleme abgerufen werden. Sprich: es stehen aktuell 59 TWh als zusätzlicher Spielraum für BEVs zur Verfügung, ohne dass auch nur ein Finger an irgendeiner Stelle krumm gemacht werden muss. Das sind nochmal 295.000(!) km für jeden der 1 Million angenommenen BEVs. oder anders gesagt:: so viel, wie 20 Mio. BEVs jährlich im Durchschnitt verbrauchen.
Also: Zwänge zu generieren ist zwar nett gemeint, aber mich würden wirklich mal die Zahlen interessieren, auf Grund derer die Politik in diesem Fall entscheidet.