
MAN startet die Serienproduktion von Elektro-Lkw in München. Die Fahrzeuge mit bis zu 740 km Reichweite entstehen flexibel neben Dieselmodellen auf einer Linie – ein strategischer Schritt für den emissionsarmen Schwerlastverkehr.
Produktionsstart gilt als Meilenstein für den Nutzfahrzeughersteller
MAN Truck & Bus hat die Serienproduktion seiner ersten Elektro-Lkw offiziell begonnen. Im Münchner Werk laufen künftig sowohl diesel- als auch batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge in einer gemeinsamen Fertigungslinie vom Band. Das Unternehmen sieht in diesem Produktionskonzept einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur CO2-Neutralität. Laut MAN-CEO Alexander Vlaskamp markiert der Start einen historischen Moment für das Unternehmen. Nach über 100 Jahren Dieselantrieb sei die Elektromobilität nun fest in der Serienproduktion verankert.
Insgesamt investierte MAN rund 400 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung, um das bestehende Produktportfolio für den elektrischen Antrieb zu ertüchtigen. Bereits 2025 sollen mehr als 1.000 E-Lkw ausgeliefert werden. Diese decken ein breites Einsatzspektrum ab – von kommunalen Müllsammelfahrzeugen bis hin zu Langstrecken-Lkw mit bis zu 50 Tonnen Gesamtgewicht. Die Fahrzeuge entstehen in einer sogenannten Mischproduktion, die eine flexible Anpassung an die Marktnachfrage erlaubt. Aktuell können im Münchner Werk täglich bis zu 100 Lkw gefertigt werden. Je nach Auftrag werden die Modelle direkt in der gewünschten Reihenfolge produziert. Die gesamte Fertigungsdauer pro Fahrzeug beträgt rund acht Stunden.

AnzeigeAntrieb, Batterie und Reichweite im Überblick
Die neuen E-Lkw von MAN basieren auf einem modularen Batteriesystem. Je nach Konfiguration kommen drei bis sechs Batterien mit einer Bruttokapazität von bis zu 534 kWh zum Einsatz. Für Anwendungen mit besonders hohen Reichweitenanforderungen steht optional eine siebte Batterie zur Verfügung. In dieser Ausstattung sollen bis zu 740 Kilometer rein elektrische Reichweite ohne Zwischenladen möglich sein.
Die Batterien stammen aus dem MAN-eigenen Werk in Nürnberg, in dessen Aufbau rund 250 Millionen Euro geflossen sind. Der Verbrauch der Fahrzeuge liegt laut Angaben des Herstellers bei durchschnittlich 97 kWh pro 100 Kilometer – basierend auf bisherigen Testerfahrten mit den Vorserienmodellen. Diese wurden im Vorfeld rund zwei Millionen Kilometer unter realen Bedingungen bei Kunden erprobt.
Ein spezielles Fahrzeugmodell, der sogenannte Ultra-Lowliner, wird besonders im Bereich der Automobillogistik eingesetzt. Mit seiner niedrigen Aufsattelhöhe von nur 950 mm ermöglicht er Transporte mit einer Innenladehöhe von drei Metern – eine Besonderheit unter batterieelektrischen Sattelzugmaschinen. Bereits rund 700 Fahrzeuge dieser Art wurden bestellt, unter anderem für den Einsatz in Wolfsburg und Bayern.

Flexible Produktion und Schulung von Personal
Im Münchner Werk wurden umfassende Umbauten vorgenommen, um Diesel- und Elektrofahrzeuge auf einer gemeinsamen Linie fertigen zu können. Dies erforderte tiefgreifende Anpassungen an Montageprozessen, Logistik und Lieferketten. Während Diesel-Modelle mit klassischen Komponenten wie Tank und Abgasanlage ausgestattet werden, erhalten E-Lkw das sogenannte Powerpack – bestehend aus Batterien und zentralen elektrischen Modulen.
Über 5.000 Beschäftigte wurden für den Umgang mit Hochvolttechnologie qualifiziert. Nach Angaben von Produktionsvorstand Michael Kobriger investiert MAN in den nächsten Jahren insgesamt rund eine Milliarde Euro in die Umrüstung seiner europäischen Standorte – mit einem Schwerpunkt auf den Werken in Nürnberg und München. Dies sei auch ein industriepolitisches Signal für den Standort Bayern, so Kobriger.
Auch bei E-Bussen aktiv: Breites Angebot für den Nahverkehr
Neben der Lkw-Sparte verfolgt MAN auch im Busbereich eine konsequente Elektrifizierungsstrategie. Bereits über 2.500 elektrische Stadtbusse sind europaweit im Einsatz. Gefertigt werden diese im polnischen Werk Starachowice. Darüber hinaus hat MAN kürzlich den ersten elektrischen Reisebus eines europäischen Herstellers in Ankara vorgestellt. Auch bei diesen Fahrzeugen kommen künftig die Batterien aus dem Nürnberger Werk zum Einsatz.
Das Unternehmen verfolgt das Ziel, bis spätestens 2050 CO2-neutral zu wirtschaften. Dafür ist die Elektrifizierung der Flotte ein zentraler Baustein. Der Anteil der Emissionen, die aus dem Betrieb der Fahrzeuge resultieren, liegt laut MAN bei etwa 95 Prozent der gesamten CO₂-Bilanz. Ein Hochlauf der Elektromobilität ist somit unerlässlich – auch im Hinblick auf verschärfte Emissionsgrenzwerte der EU. MAN fordert daher auch politische Unterstützung, insbesondere beim Strompreis und beim Ausbau öffentlicher Ladeoptionen für Nutzfahrzeuge.
Schon über 1.000 E-Lkw in Planung
Bis Jahresende will MAN rund 1.000 Elektro-Lkw ausliefern. Die Fahrzeuge können bei 100 Prozent Grünstrom eine Einsparung von bis zu 80.000 Tonnen CO2 pro Jahr erreichen – bezogen auf eine typische Laufleistung von 120.000 Kilometern. Das entspricht etwa den jährlichen Emissionen einer kleineren deutschen Stadt.
Was meint ihr: Sind 740 Kilometer genug für den Alltag im Fernverkehr – oder braucht es noch mehr, damit E-Lkw wirklich durchstarten?