Das Bundeskartellamt hat Wettbewerbsprobleme bei öffentlich zugänglichem Ladestrom für Elektrofahrzeuge festgestellt. Es empfiehlt transparente Vergaben und kartellrechtliche Maßnahmen, um den Wettbewerb zu stärken.
Wettbewerbliche Herausforderungen bei der Bereitstellung von Ladestrom
Das Bundeskartellamt hat am 1. Oktober 2024 den Abschlussbericht seiner Sektoruntersuchung zur öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge veröffentlicht. Der Bericht analysiert bestehende Wettbewerbsdefizite und diskutiert mögliche Maßnahmen zur Förderung wettbewerblicher Strukturen, um die Marktentwicklung der Elektromobilität zu unterstützen.
Wettbewerbsschädigende Strukturen identifiziert
Laut dem Bericht bestehen insbesondere auf kommunaler Ebene Probleme bei der diskriminierungsfreien Vergabe öffentlicher Flächen für Ladesäulen. Viele Städte und Kommunen vergeben geeignete Flächen bevorzugt oder ausschließlich an kommunale Stadtwerke oder ausgewählte Anbieter. Dies führt in zahlreichen lokalen Märkten zu einer geringen Anbieterzahl im Bereich der Ladeinfrastruktur. Die hohe Konzentration begünstigt die Entstehung marktbeherrschender Stellungen, wodurch Verbraucherinnen und Verbraucher nur begrenzte Auswahlmöglichkeiten haben und potenziell mit höheren Preisen konfrontiert werden.
Entlang der Autobahnen zeigt sich eine differenzierte Situation. Während an einfachen Rastplätzen, die im Rahmen des „Deutschland-Netzes“ vom Bund ausgeschrieben werden, ein offener Marktzugang für verschiedene Anbieter ermöglicht wird, bleiben bei bewirtschafteten Rastanlagen langfristige Konzessionen oft in den Händen großer Betreiber wie der Tank & Rast-Gruppe. Dies kann die Entstehung dominanter Marktpositionen fördern, wenn nur wenige Ladesäulenbetreiber Zugang zu den Flächen erhalten.
Preisgestaltung und Missbrauchspotenziale
Der Bericht weist auf erhebliche Preisunterschiede bei den Ladesäulen hin, die auf potenziell missbräuchlich hohe Preise hinweisen könnten. Anbieter mit lokaler Marktmacht haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, ihre Preise zu erhöhen, da die Gefahr eines Wettbewerbswechsels für die Verbraucher gering ist. Zwar können einzelne Preisüberhöhungen durch die Notwendigkeit der Deckung von Investitionskosten gerechtfertigt sein, jedoch besteht die Möglichkeit, dass marktbeherrschende Anbieter die Preise systematisch überheben.
Ein weiteres Problem stellt die Praxis dar, dass marktstarke Anbieter ihren eigenen Ladestrom nicht nur direkt an Endkunden verkaufen, sondern auch über Mobilitätsdienstleister anbieten. Diese Betreiber legen die Preise und Bedingungen fest, was zu einer „Preis-Kosten-Schere“ führen kann, bei der konkurrierende Anbieter ihre Margen nicht aufrechterhalten können. Dies könnte zu einer Verdrängung der Konkurrenz aus dem Markt führen.
Durchleitungsregime und dessen Auswirkungen
Der Bericht behandelt auch die Möglichkeit eines regulierten Durchleitungsregimes, bei dem Endkundinnen und Endkunden ihren Ladestromanbieter direkt an der Ladesäule wählen können. In einem solchen Modell wäre der Betreiber der Ladesäule verpflichtet, den Strom alternativer Anbieter gegen ein festgelegtes Entgelt durchzuleiten. Obwohl dieses Durchleitungsentgelt reguliert wäre, müssten die vollständigen Kosten für Errichtung und Betrieb der Ladesäule berücksichtigt werden. Dies könnte dazu führen, dass die Ladestromanbieter diese Kosten an die Endkundinnen und Endkunden weitergeben, was die Preise für den Ladestrom erhöhen könnte. Das Bundeskartellamt sieht derzeit jedoch keine ausreichenden Anreize, dass ein solches Modell zu günstigeren Ladestrompreisen für Verbraucher führen würde, und hält es für einen ungeeigneten Ansatz zur Förderung des Wettbewerbs.
Kartellrechtliche Maßnahmen und Empfehlungen
Der Abschlussbericht untersucht auch die Möglichkeiten kartellrechtlicher Interventionen sowie potenzielle Anpassungen des gesetzlichen Rahmens für die Ladeinfrastruktur. Das Bundeskartellamt betont, dass öffentliche Flächenvergaben diskriminierungsfrei gestaltet werden müssen, um den Wettbewerb zu gewährleisten. Zudem können missbräuchliche Praktiken durch Kartellbehörden bekämpft werden, obwohl derzeit die Voraussetzungen für tiefgreifende Eingriffe begrenzt sind.
Präsident Andreas Mundt äußert, dass kartellbehördliche Maßnahmen fallweise geprüft werden müssen und langfristige Verbesserungen eher durch gesetzliche Anpassungen erreicht werden können. Insbesondere sollen Vergaben öffentlicher Flächen transparent und offen erfolgen, um eine größere Anbieterdiversität zu ermöglichen. Gleichzeitig warnt Mundt vor regulatorischen Eingriffen in die Preisgestaltung, da diese die Wirtschaftlichkeit privater Ausbauprojekte beeinträchtigen und den Ausbau der Ladeinfrastruktur verzögern könnten.
Der Bericht empfiehlt, bei Ausschreibungen die Losgröße und den Loszuschnitt so zu gestalten, dass die lokale Marktdynamik berücksichtigt wird. Zudem wird auf die potenziellen Auswirkungen staatlicher Maßnahmen hingewiesen, die zwar die Preistransparenz erhöhen könnten, jedoch auch das Risiko koordinierter Preissetzungsverhalten bergen.