Erfahrungsbericht: Eine Woche mit dem Verbrenner!

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Erfahrungsbericht: Eine Woche mit dem Verbrenner!

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Der ein-Wochen-Kurztest mit einem Auto mit Verbrennungsmotor! (ironie)

Worum geht es?

Wegen eines Unfallschadens musste mein i3 für einige Tage in die Werkstatt, als Ersatz wurde mit ein 3er BMW mit Verbrennungsmotor angeboten. Da ich immer offen für neues bin, dachte ich mir, na gut, ich kann es ja mal probieren.
Von der Werkstatt wurde mir ein Leihwagen mit einem sogenannten "Automatikgetriebe" angeboten, da sei die Umstellung vom Elektroauto nicht so schwer, hieß es.

Also gut. Noch etwas skeptisch betrachte ich das Fahrzeug erstmal von außen. Optisch sieht es ganz ansprechend aus, und macht von außen auch einen recht geräumigen Eindruck. Ein bisschen seltsam wirkt die lange nach vorne gezogene Schnauze, aber die ist notwendig, da sich darin der Verbrennungsmotor verbirgt, der dieses Fahrzeug antreibt, und der ist recht groß und schwer. Das Fahrzeug wirkt so etwas länger, als es eigentlich sein müsste, aber dadurch auch etwas flacher und schnittiger, also ich habe daran erstmal nicht viel auszusetzen, auch wenn es ein etwas gewöhnungsbedürftiger Anblick ist.

Dann steige ich ein. Das Erste, was mir auffällt, ist der trotz der großzügigen äußeren Maße doch recht beengte Sitzbereich für Fahrer und Beifahrer. Der Innenraum wird in der Mitte längs durch eine Art "Mauer" geteilt, auf der vorne noch Bedienungselemente usw. angebracht sind. Aber im Fond erscheint diese Unterteilung doch etwas sinnlos, behindert sie doch die Möglichkeit z.B. für Kinder, unabhängig von der Seite, auf der man sitzt, auf der anderen Seite auszusteigen.
Das Armaturenbrett ist voll von größeren und kleineren Rundinstrumenten, die verschiedene Betriebsdaten des Verbrennungsmotors anzeigen sollen. Es wirkt angesichts der Tatsache, dass man sich ja einfach nur fortbewegen will, doch sehr überfrachtet. Vor allem weil nicht sofort ersichtlich ist, welche Informationen tatsächlich im Normalbetrieb relevant sind, und welche nicht. Eine Reichweitenanzeige suche ich zunächst vergeblich, erkenne dann jedoch ein Rundinstrument, welches mir den verbleibenden Treibstoffvorrat grob anzeigt. Damit müsste es eigentlich gehen, schon weil mir gesagt wurde, dass Verbrennerfahrzeuge eine deutlich größere Reichweite haben. Dennoch wäre es schön, die verbleibende Reichweite direkt in Kilometern zu sehen, denn auch die größte Reichweite ist ja irgendwann vorbei...

Das Fahrzeug wird durch einführen eines Schlüssels in ein Schloss und nachfolgendes Drehen des Schlüssels gestartet. Da ich mich vorher informiert hatte, war ich darauf gefasst, dass das Motorengeräusch deutlich lauter sein wird, als bei meinem i3. Was ich jedoch nicht wusste war, dass der Motor bereits im Stand startet und dann mit einer gewissen Drehzahl, relativ geräuschvoll, und begleitet von Vibrationen, weiterläuft, ohne dass das Fahrzeug tatsächlich angetrieben wird! Dies ist laut Informationen des Herstellers notwendig, weil ein Verbrennungsmotor nur bei einer gewissen Mindestdrehzahl eine Antriebskraft entwickelt. Auch dies ist sehr gewöhnungsbedürftig, und aus Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und des Umweltschutzes auch kaum nachvollziehbar. Ich lasse mich jedoch nicht beirren, und möchte losfahren. Wie gewohnt trete ich das Bremspedal und stelle den Fahrstufenhebel auf "D". Sobald ich jedoch das Bremspedal loslasse, beginnt das Fahrzeug sich langsam, aber stetig vorwärts zu bewegen! Es muss sich wohl um eine Fehlfunktion handeln, denn ein solches sicherheitsgefährdendes Verhalten kann unmöglich prinzipbedingt sein. Nun ja, durch treten des Bremspedals lässt sich das Fahrzeug immerhin stillhalten.
Bei Beschleunigen mit dem Fahrpedal dreht der Motor laut hörbar hoch, aber die Beschleunigung ist dafür nur mäßig. Das Fahrgefühl ist extrem schwammig, gefühlt scheinen die Aktionen am Fahrpedal nur mit mehreren Sekunden Verspätung beim Antrieb anzukommen. Noch schlimmer, beim loslassen des Fahrpedals rollt das Fahrzeug einfach ohne merkliche Verzögerung weiter! Und dann treten auch noch beim Beschleunigen immer wieder leichte Ruck-Erscheinungen auf. Kaum zu glauben, dass noch vor einiger Zeit solche Fahrzeuge Standard waren...

Nach einiger Gewöhnungszeit komme ich jedoch mit diesem Antrieb ganz gut zurecht. Nun möchte ich einmal testen, wie sich das Laden (hier nennt man es "Tanken") eines solchen Fahrzeugs anfühlt. Nach einer Tankstelle muss ich nicht lange suchen, denn diese sind weithin gekennzeichnet, und sogar die Preise für den Treibstoff sind auf großen Schildern gut lesbar angebracht.
Ich fahre also an eine Zapfsäule und steige aus.
Was mir als erstes auffällt, ist der stechende Geruch, der sich hier ausbreitet. Außerdem ist der Asphalt von großen und kleinen Treibstoffflecken bedeckt, was der ganzen Einrichtung ein etwas heruntergekommenes oder leicht schmutziges Äußeres gibt. Nahe der Zapfsäulen befindet sich ein kleiner Laden, vor dem auf Regalen verschiedene Zusatzstoffe, die zum Betrieb eines Verbrennungsmotors benötigt werden, aufgestapelt sind, z.B. Motoröl.

Auffällig ist, dass keine der Zapfsäulen von einem parkenden Fahrzeug blockiert wird. Offensichtlich ist eine Tankstelle einfach zu schmutzig und zu ungemütlich, als dass man sein Fahrzeug hier länger stehen lassen würde als unbedingt notwendig.

Interessiert betrachte ich die große Auswahl an verschiedenen Motorölsorten, habe jedoch keine Ahnung, wozu diese gut sind und in welchen Fällen welches genommen werden soll. Eine Benutzungsanleitung oder ähnliches ist ebenfalls nicht vorhanden. Auffällig ist jedoch der hohe Preis. Ein einziger Liter dieser Flüssigkeit kostet teilweise weit über 30 Euro! Ich entscheide dann, dass es sich um ein Material handeln muss, was nur gelegentlich angewendet wird, also gehe ich zur Zapfsäule.

Hier herrscht dann weiteres Chaos: An der Zapfsäule befinden sich 4 Zapfpistolen, die in der Form alle gleich sind. Beschriftungen weisen auf die abgegebene Treibstoffart hin, wobei die Begriffe eher Phantasie-Wortschöpfungen zu sein scheinen, was es extrem erschwert, die richtige Zapfpistole für mein Leihfahrzeug (es ist ein "Diesel") auszuwählen. Da stehen Dinge wie "Ultimate", "Extra", "Super", "Plus" usw. Wer soll sich da noch auskennen? Auf gut Glück greife ich nach einer Zapfpistole, an deren Beschriftung irgendwie "Diesel" vorkommt...
Ein bisschen ekelt es mich, diese schmierig-stinkenden Schläuche anzufassen, aber dann habe ich es geschafft, den Tankvorgang zu starten, und mit hoher Geschwindigkeit sprudelt Treibstoff in den Tank des Fahrzeugs. Auf der Digitalanzeige an der Zapfsäule sehe ich mit atemberaubender Geschwindigkeit Zahlen vorbeifliegen, und schon nach 2-3 Minuten ist der Vorgang beendet. Zum Glück, denn aufgrund des jetzt noch stärkeren Treibstoffgeruchs hätte ich es hier keine Minute länger ausgehalten. An Tankstellen wird immer noch häufig persönlich an einer Kasse bezahlt, und so gehe ich mit meiner EC-Karte zur Kasse und möchte bezahlen. In einer Warteschlange stehen viele Menschen, die ebenfalls bezahlen möchten. War ich zuvor noch begeistert, wie schnell der Tankvorgang beendet war, bin ich jetzt ein wenig enttäuscht, denn die Warteschlange wird mich mindestens 10 Minuten kosten, wodurch der Zeitvorteil gegenüber dem Laden an einer Schnellladestation wieder stark dahinschmilzt.
Als ich dann an der Reihe bin und sehe, was für die wenigen Liter Treibstoff hier berechnet wird, glaube ich zunächst an einen Fehler: knapp 70 Euro sollen es sein. Für diesen Preis fahre ich mit meinem i3 mehrere Wochen.

Fazit:
Die Testwoche mit dem Verbrennungsmotor war eine gute Erfahrung, und ich denke, dass diese Technik durchaus das Potenzial hat, für bestimmte Anwendungsbereiche tauglich zu sein. So könnte z.B. der schnelle Tankvorgang beim fahren extrem langer Strecken von Vorteil sein, sofern man rechtzeitig eine Tankstelle ansteuert. Großer Verbesserungsbedarf besteht allerdings noch in der Alltagstauglichkeit dieser Technik, alles wirkt übermäßig komplex, und es ist eine Unmenge von Informationen notwendig, um so ein Fahrzeug zu fahren, zu betanken und zu pflegen. Auch die ständige Geräusch- und Geruchsbelästigung und der mangelhafte Fahrkomfort werden wohl auch auf längere Sicht den Durchbruch dieser Technik erschweren. Hinzu kommen noch politische Hindernisse, so soll es aufgrund der von Verbrennungsmotoren abgegebenen giftigen Abgase Einschränkungen und sogar Fahrverbote für diese Autos geben. Ich jedenfalls bin froh, nach dieser Woche wieder auf meinen vollelektrischen i3 wechseln zu können...
Zuletzt geändert von phonehoppy am Fr 2. Jun 2017, 12:12, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Erfahrungsbericht: Eine Woche mit dem Verbrenner!

Odanez
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:applaus: sehr schön geschrieben - und 100% wahr
50€ Neukundenrabatt im Tibber Store: https://invite.tibber.com/ys75xqey
2017-2020: 2013 Nissan Leaf Acenta 24kWh
Seit 2021: Kia e-Niro Spirit 64kWh

Re: Erfahrungsbericht: Eine Woche mit dem Verbrenner!

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Sowas wird sich niemals durchsetzen. Da spielt man ja mit dem Leben der Kinder!
Außerdem ist eh nicht genug Öl vorhanden, um von Elektroautos auf Verbrenner umzusteigen.

Re: Erfahrungsbericht: Eine Woche mit dem Verbrenner!

kaiuwe
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Köstlich geschrieben !

Re: Erfahrungsbericht: Eine Woche mit dem Verbrenner!

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Die fehlende Rekuperation könntest Du noch einbauen, und dann ab an den Spiegel u.a.
Twizy 3/2015-1/2023, Zoe Q210 12/2015-11/2017, Ioniq 12/2017-2/2020, Kona seit 2/2020
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Re: Erfahrungsbericht: Eine Woche mit dem Verbrenner!

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Mann kann nur mit dem Kopf schütteln, was sich die Verbrennerfahrer freiwillig sich selbst antun.

Elektrisch, nicht hektisch.

Re: Erfahrungsbericht: Eine Woche mit dem Verbrenner!

Pianist
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phonehoppy hat geschrieben: Ein bisschen ekelt es mich, diese schmierig-stinkenden Schläuche anzufassen, aber dann habe ich es geschafft, den Tankvorgang zu starten, und mit hoher Geschwindigkeit sprudelt Treibstoff in den Tank des Fahrzeugs.
Als Du an dieser Tankstelle warst, hast Du da mal nachgefragt, wo diese Flüssigkeiten herkommen, die da in den Tank gefüllt werden? Irgendwann hat mal jemand behauptet, dass das Zeug in großen Schiffen um die halbe Welt gefahren wird, und dass die Schiffe manchmal kaputtgehen und dann ganze Küstenregionen verkleben, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Sowas wäre bestimmt verboten. Einer meine neulich auch, dass dieses Öl in politisch zweifelhaften Regionen gefördert wird, und dass die Führer dieser Länder unter einander ausmachen, zu welchem Preis sie es verkaufen. Gibt es wirklich so viele Leute, die das haben wollen? Mir erscheint das alles ziemlich aufwändig und unpraktisch.

Matthias
Seit Dezember 2020 mit Tesla Model 3 SR+ unterwegs.

Re: Erfahrungsbericht: Eine Woche mit dem Verbrenner!

MineCooky
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Du wrist lachen. Aber genau so ging es mir als ich einen Verbrennersmart bekam weil meiner zur Inspektion war. Das gestottere und den Lärm kannte ich noch aus der Fahrschule, den Führerschein hatte ich da seit nem knappen Jahr. Aber an der Tanke bin ich verzweifelt. Beim ersten mal hatte ich noch meine Mom dabei, die kennt das noch. Beim tanken hatte das dann irgendwann "klack" gemacht und ich hatte einen mords schreck bekommen und nen Satz weg vom Auto gemacht. Dachte erst da ist was kaputt gegangen, aber das macht es wohl immer wenn voll ist.

Zur nächsten Inspektion war ich dann allein an der Tanke, das war dann 20.000 Elektrokilometer später. Da stehst dann und wunderst Dich wo denn nun Benzin raus kommt. Das einzigste was ich wusste war, wenn das falsche rein leerst geht der Motor kaputt und selbst so ein Rasenmähermotor wie im Smart ist teuer. Warum man da nicht mal klein Benzin drauf schreibt ist mir ein Rätsel. Schlussendlich hatte ich jemanden an der Tanke dann gefragt. Der sah so aus als würde er das nicht zum ersten mal machen und der konnte mir dann auch sagen welcher Zapfhahn nun der richtige ist. Aber versuch dem mal zu erklären das Du Dein Auto laden willst, nur eben nicht elektrisch sondern mit Benzin, acht verdammt, wie heißt das dnn nochmal bei den Autos da? ... ach ja tanken will ich das, im Lade... ehh Tankdeckel steht Benzin, aber auf der Säule nirgends.

Ein Trauerspiel. Mittlerweile kuck ich das ich es ohne Verbrenner schaffe, denn die muss man tanken und das kann ich nicht weil ich es praktisch nie mache und gemacht habe.



Aber es hätte schlimmer sein können. Ein Bekannter fährt Tesla, als er nen Ersatzwagen bekam weil seiner zur Inspektion war fuhr er an die Tanke, tanke und ging wieder. Das mit dem bezahlen viel ihm erst nach 5km ein. Und erklär mal der an der Kasse das Dir das Leid tut, Du aber sonst nie bezahlst... ^^

Re: Erfahrungsbericht: Eine Woche mit dem Verbrenner!

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Danke für diesen Post klasse +1
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Re: Erfahrungsbericht: Eine Woche mit dem Verbrenner!

Eckhard
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Super geschrieben und zu 100% wahr. Man muss nur die Perspektive wechseln, um die Unsinnigkeit einer "fortschrittlichen" Technologie zu erkennen.
Bald fahren wir komplett elektrisch. Seit wir den i3 haben steht der Alhambra nur rum.


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